An den Leitenden Oberstaatsanwalt
bei der Staatsanwaltschaft Traunstein
Herzog-Otto-Straße 1
83278 Traunstein
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Ermittlungssache gegen Dr.
S. u.a.
Sehr geehrter Herr Leitender
Oberstaatsanwalt,
wie Sie wissen, vertrete ich die
Angehörigen des am 17.3.2012 verstorbenen Herrn John Demjanjuk, Frau Vera Demjanjuk sowie ihren Sohn, Herrn John
Demjanjuk jun. als Nebenkläger im oben genannten Verfahren gegen Dr. S.
u.a.
Aus der heutigen Presse im
Internet entnehme ich, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen zum Tode
Demjanjuks eingestellt hat. Der Vorwurf der Angehörigen einer Falschbehandlung
sei laut Gutachten haltlos.
Ein von der Behörde in Auftrag
gegebenes Gutachten habe jetzt ergeben, dass keine Kausalität zwischen dem
eingetretenen Tod und der ärztlichen Behandlung bestehe.
In dem Artikel heißt es weiter:
Sprecher
M. erklärte, da eine falsche Medikation ebenso wie Fremdeinwirkung
ausgeschlossen werden könne, sei Demjanjuk wohl eines natürlichen Todes gestorben.
Über das Ergebnis des Gutachtens seien die Angehörigen vor wenigen Tagen informiert
worden. Sie hätten noch die Gelegenheit, Beschwerde gegen die Einstellung des
Verfahrens einzulegen.
Der Artikel wird in der Anlage überreicht.
Gegen Staatsanwalt M. erhebe ich namens und im Auftrag
meiner Mandanten
D i e n s t a u f s i
c h t s b e s c h w e r d e.
Staatsanwalt M. wird von
der Sachbearbeitung entbunden und durch einen anderen Sachbearbeiter der
Staatsanwaltschaft Traunstein ersetzt.
Zur Begründung wird darauf hingewiesen, dass es mit dem
Gesetz unvereinbar ist, dass in dieser Sache die Angehörigen über die Presse
von der Einstellung des Verfahrens erfahren und die Begründung für die
Einstellung des Verfahrens Presseartikeln entnehmen müssen. Staatsanwalt M.
hat es bis jetzt unterlassen, dem Unterzeichneten die von ihm der Presse
mitgeteilten Entscheidung zukommen zu lassen oder sie ihm überhaupt bekannt zu
geben.
Die Entscheidung von Staatsanwalt
M., nicht die Angehörigen, sondern ausschließlich die Presse zu
informieren und der Presse seine Entscheidung bekannt zu geben, ist nicht
hinnehmbar.
Was im Übrigen von der
Einstellungsverfügung von Staatsanwalt M. und dem von ihm eingeholten
Gutachten zu halten ist, ergibt sich aus meiner Zuschrift vom 27.11.2012 an die
Staatsanwaltschaft Traunstein, die wie folgt lautet:
„In
der Ermittlungssache
Dr. S. u.a.
hier: John Demjanjuk
nehme ich Bezug auf die dortige Zuschrift vom 16.11.2012.
I.
Hinsichtlich der gesetzten Fristen beantrage ich:
Die Frist von 3 Tagen wird auf 30 Tage und die Frist bis zum 5.12.2012
wird bis auf den 5.1.2013 verlängert.
B e g r ü n d u n g:
Die nunmehr durch die Zuschrift vom 16.11.2012 gewährte Akteneinsicht
ist zu kurzfristig bemessen, darüber hinaus wird Akteneinsicht zum größten Teil
verweigert.
Soweit die Frist zu kurz bemessen ist, geht aus den übersandten
Materialien hervor, dass es sich um Zweitakten handelt, mithin die
Staatsanwaltschaft über die Erstakten verfügt.
Eine Fristsetzung von 3 Tagen ist daher objektiv sachwillkürlich im
Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Was die Verweigerung der Akteneinsicht angeht, wird auf den
nachfolgenden Antrag und seine Begründung verwiesen.
Es wird beantragt:
Es wird vollständige Akteneinsicht durch Übersendung aller Beiakten zur
Hauptakte im Original bzw. in Fotokopie gewährt.
B e g r ü n d u n g:
Ausweislich des Inhaltes der Hauptakte ist sowohl die
Papierpatientenkartei als auch der Auszug aus der elektronischen
Patientenkartei über Herrn Demjanjuk bei Dr. S. beschlagnahmt worden. Ferner
ist die Krankenakte des Klinikums Harlaching beschlagnahmt bzw. sichergestellt
worden, zusammen mit Arztbriefen.
Schließlich sind Aktenordner von Dr. A. S., sichergestellt bzw. beschlagnahmt worden.
Diese Unterlagen sind sämtlich im Gutachten auf den Seiten 1 bis 4
einschließlich aufgeführt und bilden die Grundlage des Gutachtens.
Um das Gutachten nachvollziehen bzw. umfassend verstehen zu können, ist
es zwingend erforderlich, das die Unterlagen nicht nur der Staatsanwaltschaft
zur Verfügung stehen, sondern auch den Anzeigeerstattern.
Hinzu kommt, dass zwingend die Krankenakten der Justizvollzugsanstalt
München-Stadelheim sowie die Akten des Pflegeheims St. Lukas beigezogen werden
müssen, was bisher offensichtlich unterlassen worden ist.
Indem beide vorgenannten Unterlagen fehlen, ist das Gutachten der
Universitätsklinik Regensburg vom 8.11.2012 bereits unbrauchbar.
II.
Bereits jetzt werden folgende Gutachter wegen Besorgnis der
Befangenheit abgelehnt:
1. Prof. Dr. med. R. A.
2. Oberarzt Dr. med. M. V.
3. Assistenzarzt Dr. med. M. R.,
alle drei Universitätsklinikum Regensburg, Blatt 319.
B e w e i s : Dienstliche
Äußerung der abgelehnten Gutachter
Bereits eine erste Durchsicht des Gutachtens belegt die Befangenheit
aller drei Gutachter, deren Parteinahme zugunsten der „Kollegen, deren
Verhalten zu begutachten ist“, so offensichtlich ist, dass sie auf der Hand
liegt.
B e g r ü n d u n g :
1. Die drei abgelehnten Gutachter verschweigen in ihrem Gutachten, dass
die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft folgende Empfehlung
abgegeben hat:
Aus Sicht der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft sollte
Metamizol strikt nur innerhalb der oben angegebenen zugelassenen Indikationen
verordnet werden.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat 2009 darauf
hingewiesen, dass es bei leichten oder mittelstarken Schmerzen nicht angewendet
werden darf. Fieber ist nur dann eine Indikation für Metamizol, wenn andere
Antipyretika nicht ausreichend wirksam waren. Störungen der Knochenmarkfunktion
(z.B. nach Zytostatika-Behandlung) oder Erkrankungen des hämatopoetischen
Systems sind laut Fachinformation eine Kontraindikation für den Einsatz von
Metamizol. Daher sollte bei dieser Gruppe von Patienten vor der Gabe von
Metamizol sorgfältig geprüft werden, ob auch andere Analgetika bzw.
Antipyretika in Betracht kommen. Agranulozytosen sind in den meisten Fällen
immunologisch vermittelte Reaktionen. Sie treten in der Regel etwa sieben Tage
bis einige Wochen nach Einnahmebeginn auf, nach vorangegangener Exposition mit
dem ursächlichen Arzneimittel kann sich eine Agranulozytose jedoch sehr rasch
entwickeln. Bei längerer Anwendung von Metamizol sollten regelmäßige
Blutbildkontrollen durchgeführt werden.
Es ist offensichtlich, dass das von den drei befangenen Gutachtern
gebilligte Verordnungsverhalten der Beschuldigten den Empfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen
Ärzteschaft
diametral zuwider läuft.
Alle drei Gutachten wissen dies. Sie mussten daher bei ihrem Gutachten
zwingend belegen, dass die Beschuldigten sich de lege artis verhalten haben.
Das aber bedeutete zwingend, dass im Gutachten folgendes nachzuweisen
war:
- Mit welcher Medizin wurde die Schmerztherapie zugunsten des
Verstorbenen vor seiner Zwangsdeportation nach Deutschland durchgeführt?
- Wie gestaltete sich die Schmerzmitteltherapie zugunsten des
Verstorbenen während der zweijährigen Untersuchungshaft des Verstorbenen in der
JVA München-Stadelheim?
- Wie wurde die Schmerztherapie in der Zeit nach der Entlassung des
Verstorbenen am 12.5.2011 bis zum Einsatz von Novalgin ab August 2011
durchgeführt?
Alle drei Gutachter
wussten und wissen aus den ihnen vorliegenden Krankenunterlagen des Klinikums
Harlaching, dass die Schmerztherapie zugunsten des Verstorbenen zu keinem
Zeitpunkt mit Metamizol durchgeführt wurde, sondern mit Tramal bzw. Targin, die
in Bezug auf die Vorerkrankungen des Verstorbenen nicht kontraindiziert waren.
Die Arzneimittelvergabe wurde bestimmt durch den medizinischen Dienst
der JVA in Verbindung mit dem Klinikum Harlaching, ferner in Verbindung mit
Prof. N. und Dr. S., die beide als Gutachter vor dem Landgericht München
II über den Gesundheitszustand des Verstorbenen bzw. über dessen
Medikamentierung bei Schmerzzuständen berichteten.
Die drei abgelehnten Gutachter verschweigen den Wechsel der Medikation
einer nicht kontraindizierten Schmerztherapie zu der von den Anzeigeerstattern
beanstandeten Schmerztherapie mit kontraindizierten Medikamenten.
Sie hätten
zwingend im Einzelnen darlegen
müssen, welche medizinischen und sachlichen Notwendigkeiten bestanden haben,
den Wechsel von nicht kontraindizierten Medikamenten auf kontraindizierte
Medikamente beim Verstorbenen vorzunehmen.
Sie hätten
zwingend im Einzelnen darlegen
und beweisen müssen, dass der Einsatz des kontraindizierten Medikamentes
Metamizol gegenüber dem bisher eingesetzten Medikamenten einen medizinischen
Vorteil für den Verstorbenen erbrachte.
Sie hätten
im Einzelnen darlegen müssen,
dass es nicht ausschließlich finanzielle Gründe waren, die den Wechsel von
nicht kontraindizierten Schmerzmitteln auf extrem kontraindizierte
Schmerzmittel medizinisch notwendig machten.
2. Die Gutachter
verschweigen dann auch das von den Beschuldigten einzuhaltende Kontrollsystem,
nämlich der regelmäßigen Blutbildkontrolle sowie der Dokumentierung der
Ergebnisse. Die befangenen Gutachten verschweigen, wieviel Blutbildkontrollen
bei dem Wechsel von nicht kontraindizierter Schmerzmedizin zu kontraindizierter
Schmerzmedizin medizinisch notwendig waren und wieviel Blutbildkontrollen
tatsächlich gemacht worden sind. Sie verschweigen die Ergebnisse sämtlicher
Blutbildkontrollen in Bezug auf die Wirkung des kontraindizierten Metamizol auf
das Blut und das Blutbild des Verstorbenen.
3. Insgesamt
verschweigen die Gutachter, dass im vorliegenden Fall ausweislich der
Unterlagen der JVA, ausweislich der Unterlagen der Behandlungen des
Verstorbenen in Amerika, ausweislich der Gutachten Dr. S. und Prof. Dr. N.
und ausweislich der Unterlagen des Klinikums Harlaching eine Behandlung des
Verstorbenen mit Metamizol schon deshalb medizinisch unvertretbar war, weil im
vorliegenden Fall, wie über 2 ½ Jahre bewiesen,
eine andere Schmerztherapie mit nicht
kontraindizierten Medikamenten möglich war und durchgeführt worden ist und
dabei von allen Gutachtern dem Landgericht jeweils in zahlreichen
Stellungnahmen bestätigt wurde, dass mit diesen nicht kontraindizierten
Medikamenten der Verstorbene verhandlungsfähig und verteidigungsfähig war.
4. Die drei
abgelehnten Gutachter verschweigen die aktualisierte Mitteilung des
Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 28.5.2009.
Hier heißt es:
Der behandelnde Arzt hat auf Zeichen einer
Agranulozythose zu achten und auch den Patienten über das Risiko und mögliche
Symptome aufzuklären.
a.) Den drei
abgelehnten Gutachtern war bekannt, dass ein kontraindiziertes Medikament nur
verordnet und gegeben werden kann, wenn der Patient zuvor umfassend über das
mit diesem Medikament verbundene Risiko aufgeklärt worden ist und sein
Einverständnis gegeben und damit das mit der Gabe des Medikaments verbundene
Risiko auf sich genommen hat.
Die Verordnung und
Gabe eines kontraindizierten Medikamentes ohne Einwilligung und ohne Aufklärung
des Patienten erfüllt den Straftatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung.
b.) Die drei
abgelehnten Gutachter berichten an keiner Stelle, ob überhaupt bzw. wann, wo
und unter welchen Umständen der Verstorbene von den Beschuldigten über das
Risiko der Einnahme von Metamizol aufgeklärt wurde und ob, wann, wie und wo er
sein Einverständnis zur Verordnung und Gabe von Novalgin erklärt hat.
Angesichts des
Schweigens der Gutachter hierüber ist offensichtlich, dass bei den
Beschuldigten der Tatbestand der
vorsätzlichen Körperverletzung, darüber hinaus auch der Tatbestand der schweren
Körperverletzung in Form einer Körperverletzung mittels einer das Leben
gefährdenden Behandlung erfüllt sind.
In diesem Zusammenhang
kann erneut auf die Erklärung der Arzneimittelkommission der deutschen
Ärzteschaft hingewiesen werden, wo es heißt:
Bei diesen Indikationen, die durch die
Zulassung nicht abgedeckt sind (off label use) ist das Nutzen-Risiko-Profil von
Metamizol ungünstig und die Aufklärungspflichten des Arztes unterliegen den
strengen Sorgfaltsanforderungen des Arzthaftungsrechts.
c.) Zum Beweis der
Richtigkeit des diesseitigen Vortrages wird auf das Gutachten von Dr. S. vom
9.11.2009 verwiesen, welches ausweislich des schriftlichen Gutachtens der
befangenen Gutachter Grundlage von deren Gutachten war.
Auf Seite 5 / Seite
6 dieses Gutachtens wird die aktuelle Medikation des Verstorbene aufgeführt,
und zwar unter Ziffer 3.4.
Seite 5 und 6 des
Gutachtens werden in der Anlage
überreicht und zum Gegenstand des diesseitigen Vortrages gemacht.
5. Die befangenen
Gutachter verweigern, wie aus ihrem Gutachten offensichtlich ist, jede Diskussion
der vor Einsatz von Novalgin erfolgten Schmerztherapien einschließlich der Frage,
ob sich der verstorbene mit dem Wechsel
der Medikation im Rahmen der Schmerztherapie einverstanden erklärt hat
oder nicht. Liegt sein Einverständnis nicht dokumentiert vor, ist das Vorliegen
sowohl einer vorsätzlichen als auch schweren Körperverletzung seitens der
Beschuldigten bereits erwiesen.
a.) Die befangenen
Gutachten legen auf Blatt 29 Folgendes nieder:
In keiner der
zahlreichen Untersuchungen des peripheren Blutes konnten jedoch so niedrige Werte
bestimmt werden, die die Beschreibung einer Agranulozytose gerechtfertigt
hätten. Dies schließt umgekehrt auch eine medikamenten-induzierte, in
speziellen durch Metamizol hervorgerufene Agranulozytose aus. Auch sind in dem
Blutbildern, die nach Beginn der Metamizoltherapie erstellt wurden, keine relevanten
Veränderungen in der relativen wie absoluten Leuko- oder Granulozytenzahl
festzustellen. Daraus kann zweifelsfrei der Schluss gezogen werden, dass im
vorliegenden Fall keinerlei Auswirkungen der Metamizoltherapie auf das Blutbild
vorlagen. Die nachweisbaren Auffälligkeiten waren durch die primäre
Knochenmarkserkrankung bedingt und über die Jahre im wesentlichen konstant. Bei
genauer Durchsicht fallen natürlich Schwankungen im Bereich der absoluten
Zahlen auf.
Diese müssen aber
als physiologisch interpretiert werden und lassen, wie ausgeführt, in keinster
Weise den Rückschluss auf eine durch Metamizol bedingte Blutbildveränderung zu.
b.) Diese
Ausführungen der befangenen Gutachter entziehen sich jeder Überprüfung. Es wird
weder dargelegt, welche Untersuchungen des peripheren Blutes zugrunde gelegt
werden noch welche Werte in den Untersuchungen festgestellt worden sind.
c.) Die befangenen
Gutachter haben sich geweigert, die vor Beginn der Metamizol-Behandlung festgestellten
Werte im Einzelnen darzustellen.
d.) Sie
verschweigen, dass im Rahmen der Erkrankung des Verstorbenen es bereits in
erheblichem Umfang Werte über die Leukozytenzahl gab, die unter 2000 /mm³
lagen, mithin bereits das Vorliegen einer Agranulozytose auswiesen, weil der
Grenzwert von unter 2000 /mm³ das Vorliegen einer Agranulozytose mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachweist. So war bereits durch das
Institut für klinische Chemie am 29.10.2010 die Anzahl der Leukozyten mit 1,7
/nl festgestellt worden, der Vorwert war mit 1,6 / nl bei einem Referenzbereich
von 4,0 bis 9,0 angegeben.
Die Erytrozyten
waren mit 3,0 /pl, der Vorwert mit 2,9 /pl bei einem Referenzbereich von 4,5
bis 5,9 /pl, angegeben.
e.) Die befangenen
Gutachter mussten daher zunächst die Frage beantworten, ob die Werte nicht
schon für sich das Vorliegen einer Agranulozytose auswiesen bzw. die Gabe eines
Medikamentes, welches als schwerwiegende Nebenwirkung die Auslösung einer
Agranulozytose zum Inhalt hatte, von vorne herein ausschloss. Die befangenen Gutachter
verweigern die Diskussion der Frage, ob bei den vorgenannten Vorerkrankungen
und bei den vorliegenden Blutbildern die Produktion von Leukozyten bzw. die
Produktion von Erytrozyten bereits so weit unter dem Normbereich lagen, dass
die Vergabe des für diesen Bereich hoch risikobehafteten Metamizol jederzeit,
insbesondere bei der Verordnung der Überdosis in der Tatnacht tödlich war. Jede
Entscheidung zur Änderung der medikamentierenden Schmerztherapie im August 2011
durfte vom Arzt erst nach Sichtung, Studium und Auswertung aktueller Blutbilder
erfolgen, die zusätzliche Gabe von 750 mg Novalgin in der Tatnacht durfte
zwingend bei den vorliegenden am untersten Rand liegenden Leukozyten- und
Erytrozytenzahlen nur nach zwingender vorheriger Erstellung eines Blutbildes
erfolgen, was die sofortige Überweisung in ein Krankenhaus durch den
Beschuldigten Dr. S. in der Tatnacht erforderlich machte. Alles dies
verschweigen die befangenen Gutachter.
6. Sie verschweigen
auch, dass sich die tödliche Wirkung von Metamizol sich nicht in der Herbeiführung
einer tödlichen Agranulozytose erschöpft. Metamizol ist dafür bekannt, dass es
zu zentral nervösen Störungen mit Schwindel bis zum Koma kommen kann. Störungen
der Nierenfunktion bis zum Aussetzen der Nieren sind beobachtet worden. Ferner
hat Metamizol Wirkungen auf die glatte Muskulatur, so dass Symptome wie
Blutdruckabfall mit Tachekardie sowie Schock beobachtet worden sind.
7. Das Gutachten ist
im Übrigen ein Widerspruch in sich selbst. Im Doccheck Flexikon heißt es unter
Nebenwirkungen:
Metamizol kann wie
alle Pyrazolone selten einen toxischen Effekt auf das Knochenmark haben. Daraus
kann eine Leukopenie oder Agranulozytose resultieren. Bei Zeichen einer
Agranulozytose oder beginnender Leukopenie sollte Metamizol daher sofort
abgesetzt werden.
Die Gutachter
bestätigen bei dem Verstorbenen das Vorliegen einer Leukopenie vor der Umstellung
der Schmerztherapie von Tramal auf Metamizol. Dass bei bestehender Leukopenie,
wie die Gutachter selbst bestätigen, Metamizol, schlechterdings nicht
eingesetzt werden darf, vielmehr absolut kontraindiziert ist, ist so
offensichtlich, dass es auf der Hand liegt. Dies verschweigen die befangenen
Gutachter.
8. Sie verschweigen
auch, dass nach den Anwendungshinweisen des Herstellers die Einzeldosis bis zu
4 Mal täglich in Abständen von 6 bis 8 Stunden eingenommen werden kann.
Danach ist zwingend,
dass die um 23.45 Uhr erfolgte Gabe von 750 mg Novalgin in der Tatnacht extrem
kurz nach der Einnahme der letzten Einzeldosis von 500 mg erfolgt ist, so dass
statt der 500 mg sich ab 23.45 Uhr 1250 mg und damit mehr als die maximale
Einzeldosis bei Erwachsenen dem Verstorbenen verabreicht wurde. Es ist ganz
offensichtlich, dass der Verstorbene an dieser Dosis gestorben ist.
9. Schon die
telefonische Anordnung der Überdosis, ohne den Verstorbenen gesehen und untersucht
zu haben, war angesichts der Vorerkrankung und der mit Vergabe von Metamizol
behafteten hohen Risiken für den Patienten eine Handlung, mit der die
Verwirklichung des Risikos bewusst in Kauf genommen wurde. Eine Verordnung von
zusätzlich 750 mg Metamizol fernmündlich und damit im Wege der Telefonambulanz
war schlechterdings unvertretbar und ein Schwerstverstoß gegen die Regeln der
ärztlichen Kunst.
Die einzig
sachgerechte Entscheidung war die sofortige Einweisung des Verstorbenen als
Notfallpatient in das entsprechende Krankenhaus, die Veranlassung der
sofortigen Erstellung eines entsprechenden Blutbildes und die anschließende
stationäre Kontrolle und Beobachtung im Krankenhaus.
Mit der Verordnung
und der Gabe von 750 mg zusätzlichem Metamizol bei eindeutiger Vorerkrankung im
Sinne einer absoluten Kontraindikation wurde von dem Arzt im Wege der Telefonambulanz
eine Maßnahme gewählt, die den Tod des Verstorbenen nicht nur verursacht hat,
sondern geradezu bewirken musste.
10. Die Befangenheit
der abgelehnten Gutachter ist auch aus einem anderem Grunde evident.
Alle drei Gutachter
sind in dem medizinischen Bereich tätig, in dem Schmerztherapie erforderlich
ist oder werden kann. Damit steht im Bereich der Tätigkeit, die die Gutachter
ausüben, täglich auch die Frage zur Entscheidung an, ob sie zur erforderlichen
Schmerztherapie einsetzen oder nicht, ferner, ob sie dies im Rahmen des
off label use tun,
also bei Fällen, in
denen der Einsatz von Metamizol kontraindiziert ist.
Die Angehörigen des Verstorbenen können nicht ausschließen, dass alle
drei Gutachter selbst in ihrer täglichen Praxis Metamizol im Rahmen des off
label use einsetzen und damit Patienten mit diesem kontraindizierten
Arzneimitteln behandeln. Wer aber Metamizol im Rahmen des off label use selbst
einsetzt, kann im vorliegenden Fall kein neutrales Gutachten verfassen. Er ist
von vorne herein befangen.
Am Anfang des Gutachtens hätten somit, um die eigene Neutralität und
Unbefangenheit nachzuweisen, persönliche Erklärungen der Gutachter stehen
müssen, in denen sie versichern, dass sie ihrerseits im Rahmen der von ihnen
ausgeübten Tätigkeiten niemals Metamizol im Rahmen des off label use eingesetzt
haben und niemals Metamizol bei Kontraindikation dem Patienten gegeben haben.
Im vorliegenden Fall kann nur derjenige Gutachter sein, bei dem der off
label use von Metamizol in der Vergangenheit und Gegenwart von vorne herein
ausgeschlossen ist. Ist dies nicht der Fall, beurteilt der Gutachter nicht die
Gutachtenfrage, sondern seine eigene Tätigkeit und stellt sich selbst einen
„Persilschein“ aus. Es können daher nur solche Gutachter in Frage kommen, die
selbst nicht im Rahmen der Schmerztherapie den off label use von Metamizol
betrieben haben.
Ist ein solcher off label use von Metamizol durch die Gutachter nicht
ausgeschlossen, müssen sie von vorne herein vom Gutachterauftrag ausgeschlossen
werden.
Darüber hinaus ist die Auswahl der Gutachter, die täglich Schmerzmitteltherapie
im Rahmen der hier zur Diskussion stehenden Vorerkrankungen betreiben, objektiv
grob fehlerhaft. Es kann nur ein Gutachter ein brauchbares und verwertbares
Gutachten erstatten, der im Bereich der chemischen Pharmakologie zu Hause ist.
Allen drei Gutachtern fehlt von vorne herein das hierfür notwendige Fachwissen.
Die im Gutachten betriebene „Deutung von Symptomen oder Symptomerscheinungen“
sind keine wissenschaftlich begründeten gutachterlichen Äußerungen, sondern ausschließlich
Glaubenssätze.
Im Übrigen verweise ich auf mein Schreiben vom 14.2.2012 an den
Beschuldigten Dr. S. sowie mein Schreiben vom 13.2.2012 an die Heimleitung
des Senioren- und Pflegeheims St. Lukas. Beide Schreiben mache ich zum Inhalt
des diesseitigen Vortrages.
Weiterer Vortrag
erfolgt unmittelbar nach
Eingang der bisher verweigerten
Aktenbestandteile.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ulrich Busch
Rechtsanwalt“
Gegen die
Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Traunstein in dieser Sache erhebe
ich namens der Angehörigen des Verstorbenen das Rechtsmittel der
B e
s c h w e r d e
und beantrage:
Die
Staatsanwaltschaft wird angewiesen, Anklage gegen die beschuldigten Ärzte zu
erheben.
Ferner beantrage
ich:
Das
Gutachten eines unabhängigen pharmakologischen Sachverständigen wird eingeholt.
Um die
Beschwerde und die Anträge begründen zu können, beantrage ich:
Vollständige
umfassende Akteneinsicht durch Übersendung der Akten für 3 Wochen in meine
Kanzlei.
Auf die
Verweigerung der Akteneinsicht durch Staatsanwalt M. weise ich
ausdrücklich hin.
Mit
freundlichen Grüßen
Dr.
Ulrich Busch
Rechtsanwalt
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