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Donnerstag, 11. April 2013

Demjanjuk rettet Ludwigsburg


Pressemitteilung


Nun ist es amtlich: Trotz seines Todes wird John Demjanjuk zum Retter der Existenz der Zentralstelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg. Und dies ist nicht das erste Mal.

Als Ludwigsburg im Jahre 2008 sein 50-jähriges Bestehen feierte, hatten die dort verbliebenen Staatsanwälte eigentlich nichts mehr zu tun. Überlegungen wurden laut, die Ludwigsburger Behörde nunmehr zu schließen.  Ludwigsburg exhumierte flugs den bereits juristisch begrabenen Fall Demjanjuk, den der Leitende Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm höchstpersönlich im Jahre 2003 mangels Tatverdacht eingestellt und mit samt den Akten begraben hatte. Auf einer teuren Dienstreise nach Washington hatte Schrimm sämtliche Akten und Beweismittel gegen Demjanjuk durchforstet und war zu dem Ergebnis gekommen, dass gegen Demjanjuk kein Tatverdacht bestand.

In einem in der Bundesrepublik  beispiellosen Vorgang wurde John Demjanjuk entgegen allen bisherigen Handhabungen und Gesetzen von den USA in die Bundesrepublik zwangsdeportiert und unter massivem Verstoß gegen Gesetz und Recht ohne jeden Beweis nichtrechtskräftig zu 5 Jahren Haft verurteilt. An der weiteren Existenzberechtigung von Ludwigsburg wagte niemand mehr zu zweifeln, zumal die Presse fast lückenlos, angeführt von der Bildzeitung, einem fast hysterischen Verurteilungstaumel erlag, ohne auch nur ansatzweise kritische Fragen zu stellen, etwa warum Ludwigsburg gegen die eigene Überzeugung nun plötzlich gegen Demjanjuk vorgehe. Die Behörde wurde mit Lob überschüttet, stellte sie doch in Aussicht, ein Urteil gegen Demjanjuk, seine Verurteilung werde  eine Prozesslawine auslösen, die der Bundesrepublik noch dutzende von Kriegsverbrecherprozessen und damit Prozesse des Grauens und des Entsetzens, die sich so gut vermarkten lassen, bescheren werde.

Der Prozess gegen John Demjanjuk scheiterte. Er platzte durch den Tod des Angeklagten im März 2012, John Demjanjuk starb unschuldig und unverurteilt.

Diese juristische Wahrheit wurde  in der Folge unterdrückt, vielmehr die Legende verbreitet, John Demjanjuk sei in der Bundesrepublik als Kriegsverbrecher und zu 5 Jahren Haft verurteilt worden. Dies war und ist eine

juristische Lüge.

Die Wahrheit wurde von Oberstaatsanwalt Schrimm in einem Schreiben vom 3.9.2012, AZ: 110 AR 321/11 kurz und bündig wie folgt dokumentiert:

Zunächst stimme ich mit Ihnen überein, dass Ihr ehemaliger Mandant John Demjanjuk mangels eines rechtskräftigen Urteils unwiderlegt als unschuldig zu gelten hat.

Nach dem Prozess wurde es still um Ludwigsburg, die angekündigte Prozesslawine blieb aus. Fast zwei Jahre später forderte der Verteidiger des John Demjanjuk unter dem 17.1.2013 unter www.demjanjuk.de die Schließung der Ludwigsburger Behörde. Es habe sich 10 Monate nach dem Tod von John Demjanjuk immer mehr abgezeichnet, dass John Demjanjuk nur deshalb trotz seines hohen Alters und seiner schweren Erkrankungen auf immer von Ehefrau und Familie getrennt und nach Deutschland zwangsdeportiert wurde,

um als Bauernopfer für die Erhaltung der Ludwigsburger Zentralstelle zu dienen und Sündenbock für deutsche Naziverbrechen zu sein.

Nunmehr hat Ludwigsburg zurückgeschlagen und der WAZ-Gruppe mitgeteilt, man wolle nunmehr gegen 50 deutsche Auschwitz-Aufseher ermitteln. Der Vorwurf gegen die heute etwa 90-Jährigen laute auf Beihilfe zum Mord. Den Ermittlern lägen Namen und Angaben zu Wohnorten der Tatverdächtigen vor. Die Verdächtigen lebten über ganz Deutschland verteilt. Oberstaatsanwalt Schrimm halte die Ermittlungen gegen die Verdächtigen für aussichtsreich. Er habe sich dabei auf das Urteil gegen John Demjanjuk, der Wachmann im Lager Sobibor gewesen und 2011 wegen Beihilfe zum Mord in 20.000 Fällen zu 5 Jahren Haft verurteilt worden sei, berufen. Das Landgericht München habe Demjanjuk als Teil der Vernichtungsmaschinerie bezeichnet. Anders als früher reiche seit diesem Urteil jede Tätigkeit in einem Konzentrationslager aus, um wegen Beihilfe zum Mord verurteilen zu lassen. Einige Presseberichte behaupten sogar, den Ludwigsburger Ermittlern reiche der Nachweis der SS-Mitgliedschaft aus, um Jemanden, der als Aufseher tätig war, wegen Beihilfe zum Mord zu verurteilen.

Das Verfahren gegen Demjanjuk vor dem Landgericht München liefere die rechtliche Grundlage für diese neue und gegenüber früher geänderte Rechtsauffassung.

Die Mitteilungen aus Ludwigsburg lösten in der Presse einen erneuten emotionalen Freudentaumel aus. Das Simon Wiesenthal Center kündigte an, sein Leiter werde, wenn auch nur fünf bis zehn KZ-Aufseher aus Auschwitz vor Gericht gestellt würden, in Berlin laut „Halleluja“ schreien. Dabei stünde es Dr. Zuroff gut an, zunächst einmal seine Rolle im israelischen Prozess gegen John Demjanjuk wegen des Vorwurfs, Ivan der Schreckliche in Treblinka gewesen zu sein, aufzudecken. Er war damals Mitarbeiter bzw. Berater des US-Justizministeriums bzw. der israelischen Ermittlungsbehörden, die John Demjanjuk in Kenntnis seiner Unschuld zum Tode verurteilen ließen.

John Demjanjuk konnte auf der Grundlage des in der Bundesrepublik geltenden Rechtes und Gesetzes nicht verurteilt werden. Es gab keine nachweisbaren konkreten Handlungen, das geltende Schuldrecht erforderte einen individuellen Schuldnachweis. Beides war nicht vorhanden, ein Freispruch war die notwendige Konsequenz der Anwendung von Recht und Gesetz des Jahres 2011.

Es ist der Anfang vom Ende eines Rechtsstaates, wenn der Rechtsanwender in dieser Situation der Versuchung erliegt, die Anforderungen des geltenden Rechtes, die Anforderungen des Gesetzes zu verändern, und zwar solange, bis ihm eine Verurteilung auf geänderter Rechts- und Gesetzesgrundlage möglich erscheint. Wer so vorgeht, verurteilt nicht auf der Grundlage von Recht und Gesetz, sondern verändert das Recht und Gesetz, um die gewünschte Verurteilung zu ermöglichen.

Wenn man nur einen Augenblick über die angeblichen neuen Rechtsgrundsätze nachdenkt, drängt sich geradezu auf, dass diese aus der „Rechtsordnung von Absurdistan“ stammen. Dass nicht jedwede Tätigkeit in einem Konzentrationslager Beihilfe zum Mord sein kann, ist eine juristische Binsenwahrheit. Dass die nachweisliche SS-Mitgliedschaft ausreichend ist, um Jemanden, der als Aufseher tätig war, wegen Beihilfe zum Mord zu verurteilen, ist so offensichtlich falsch, dass die Veröffentlichung einer solchen  These einem „juristischen Harakiri“ gleichkommt.

Dass das Schicksal eines kriegsgefangenen Rotarmisten, der von den Nazis, vor die Alternativen gestellt,  „Tod durch Verhungern, Erfrieren und Erschießen oder Dienst in der SS“, zwangsverpflichtet wurde, nicht mit einem freiwillig der SS beigetretenen deutschen Wachmann, der sich jederzeit an die Front abmelden konnte, vergleichbar ist, ist so offensichtlich, dass es dafür keiner juristischen Ausbildung bedarf. Dass ehemalige Kriegsgefangene, die von den Nazis zwangsverpflichtet wurden, nach § 159 Militärstrafgesetz des deutschen Reiches jederzeit erschossen wurden, wenn sie Dienstbefehle verweigerten, für deutsche SS-Wachleute hingegen allenfalls eine Versetzung drohte, ist schlichte historische Wahrheit.

Die hunderten von hingerichteten Trawnikis, die Vielzahl von bestialisch und systematisch bestraften und gefolterten Trawnikis stehen gegen jeden Vergleich und gegen jede Gleichsetzung des angeblichen Trawniki John Demjanjuk  mit deutschen Nazischergen im Wachdienst der SS.

Es handelt sich um nichts anderes als eine objektive Diffamierung der Trawniki, diese auf die gleiche Stufe mit deutschen SS-Wachmännern zu stellen, die zum Teil freiwillig, gewollt und in Verherrlichung der nationalsozialistischen Rassenlehre und der nationalsozialistischen Ideologie  die Ausrottung des europäischen Judentums zu ihrer eigenen Aufgabe gemacht haben.

Im Übrigen beruhte die Nichtverfolgung deutscher SS-Wachmänner keinesfalls auf einer Rechtsprechung, die deren Verurteilung ausschloss, sondern auf einer von Ludwigsburg und allen Staatsanwaltschaften der Bundesrepublik mitgetragenen „stillen Amnestie“. Man sah von Anklagen und Verurteilungen der SS-Wachleute ab, die am Ende der Befehlskette standen und selbst keine Exzesstaten begangen hatten. Man hielt ihnen zu Gute, ihnen nicht vorwerfen zu können, sich im Widerstreit von Befehl, Gehorsam und Befehlsverweigerung mit daraus drohenden Konsequenzen für Leib und Leben für die Ausführung des Befehls entschieden zu haben. Die Tatsache der Nichtverfolgung von zehntausenden Personen im Wachdienst der SS und der Wehrmacht beruhte niemals auf einer anderen Rechtsansicht. Die strafrechtliche Verfolgung dieses deutschen Personenkreises war immer möglich.

Die Behauptung, erst das Verfahren gegen Demjanjuk habe die Verfolgung deutscher SS-Wachmänner möglich gemacht, ist somit

objektiv unwahr.

Der wahre Grund dürfte ganz woanders zu suchen sein, nämlich in dem Versuch, die Behauptung der Verteidigung des Herrn Demjanjuk zu widerlegen, dass das Verfahren gegen diesen verfassungswidrige und unzulässige Einzelverfolgung war, während die deutschen Wachleute am Ende der Befehlskette genauso wie ein Großteil der verantwortlichen Befehlsgeber straffrei ausgegangen sind und gegen sie nicht einmal Anklage erhoben wurde.


Gleichzeitig verfolgt die Behörde ihr Interesse, ihren Bestand noch auf Jahre zu sichern. Wenn man, wie den Pressemitteilungen zu entnehmen, schon fast zwei Jahre seit Urteilsverkündung gegen Demjanjuk  braucht, um die Namen der Wachleute von Auschwitz mit den Einwohnermeldeamtskarteien der Bundesrepublik Deutschland abzugleichen, scheint die Existenz der Behörde bei solch einem Arbeitstempo bis in das Ende des nächsten Jahrzehntes gesichert,

dank Demjanjuk.

Dass allerdings bei den Ermittlungen nichts herauskommen wird, scheint ebenso sicher, weil die Gesetze der Natur und der Zeitablauf stärker sind als der Rechtssatz „keine Verjährung bei Mord“.




gez. Dr. Ulrich Busch
Rechtsanwalt