V e r f a s s u n g s b e s c h w e r d e
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1. der Frau Vera Demjanjuk,
2. John Demjanjuk, Adresse wie
unter 1.,
3. Rechtsanwalt Dr. Ulrich Busch
als Pflichtverteidiger des am 17.3.2012 verstorbenen Herrn John Demjanjuk,
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Ulrich Busch,
in der Strafsache gegen John
Demjanjuk, gestorben am 17.3.2011, wegen Beihilfe zum Mord
Namens und kraft in der Anlage beigefügter, auf eine
Verfassungsbeschwerde gerichtete Vollmachten der Witwe des verstorbenen John
Demjanjuk, Frau Vera Demjanjuk sowie ihres Sohnes, John Demjanjuk jun. sowie
als Pflichtverteidiger des verstorbenen John Demjanjuk erhebe ich das Rechtsmittel
der
Verfassungsbeschwerde
gegen
1. Beschluss des
Oberlandesgerichts München – 4 Ws 169/12 K – vom 4.10.2012
2. Beschluss des Landgerichts
München II - 1 Kls 115 Js 12496/08 – vom
5.4.2012
und beantrage:
1. Die
Beschlüsse des Landgerichts München II sowie des Oberlandesgerichts München
werden für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben.
2. Die Sache wird zur
erneuten Beschlussfassung an das zuständige Gericht verwiesen.
Es wird gerügt die Verletzung des
Rechtsstaatsprinzips des Art. 20, der Menschenwürde des Art. 1 GG, die
Grundrechte aus Art. 2 GG, des Verbotes sachwillkürlicher Entscheidungen des
Art. 3 GG, der Unschuldsvermutung des Art. 6 EMRK in Verbindung mit dem
Rechtsstaatsprinzips des Art. 20 sowie des Art. 2 GG, des Art. 101 GG als
Verbot einer Einzelfall-Sonderverfolgung (lex Demjanjuk), des Art. 103 Abs. 2
als Verbot der Bestrafung ohne Gesetz (nulla poena sine lege), des Art. 103
Abs. 3 als Verbot der Doppelbestrafung (ne bis in idem) sowie schließlich des
Art. 19 als Verbot der Versperrung des garantierten Rechtsweges.
Die angegriffenen Entscheidungen
werden in Anlage 1 und Anlage 2 überreicht und zum Inhalt des
diesseitigen Vortrages gemacht.
A.
Das Bundesverfassungsgericht ist
wiederholt in der Strafsache gegen Demjanjuk angerufen worden und hat sich in
allen Fällen verweigert, auf die skandalösen Umstände und den ersten politischen
Prozess in der Nachkriegsgeschichte der deutschen Justiz unter Berücksichtigung
der Grundwerte der Bundesrepublik Deutschland Einfluss zu nehmen.
In der letzten Entscheidung des
Bundesverfassungsgericht – 2 BvR 1933/12 - wurde die Verfassungsbeschwerde der
jetzigen Beschwerdeführer am 5.9.2012 verworfen und jede Begründung verweigert.
Entschieden haben die Richter am
Bundesverfassungsgericht G., L. und M.
Unter diesen Umständen wird auf
die Verfassungsbeschwerde vom 22.8.2012 nebst allen Anlagen Bezug genommen,
ferner auf die unter G. auf Seite 23/24 der Verfassungsbeschwerde beigefügten
Unterlagen.
Unter Ziffer 10 dieser Unterlagen
heißt es:
10. Komplette Revisionsbegründung
des Unterzeichneten betreffend Prozesshindernisse und Befassungs- und
Bestrafungsverbote auf CD zu treuen Händen des Bundesverfassungsgerichts
Ich stelle fest, dass das
Bundesverfassungsgericht bisher die CD an den Unterzeichneten nicht
zurückgegeben hat.
Unter den Umständen des
umfassenden Vortrages der Beschwerdeführer in ihrer Verfassungsbeschwerde vom
22.8.2012 und unter Berücksichtigung der Beifügung dieser Verfassungsbeschwerde
in der Anlage, muss davon
ausgegangen werden, dass das Bundesverfassungsgericht zu zugrundeliegenden
Sachverhalt insgesamt kennt. Es wird beantragt:
Die
Verfassungsbeschwerde vom 22.8.2012 nebst allen Anlage, AZ: 2 BvR 1933/12 –
wird beigezogen.
Ferner wird beantragt:
Die CD, auf der
die gesamte Revisionsbegründung in dieser Sache enthalten ist, wird aus dem
Verfahren 2 BvR 1933/12 beigezogen und zum Inhalt dieser weiteren Verfassungsbeschwerde
gemacht.
Zusammenfassend wird wie folgt
ausgeführt:
Am 12.5.2011 verurteilte das Landgericht München II in
einem beispiellos illegalen Verfahren den am 17.3.2012 verstorbenen John
Demjanjuk wegen 16-facher Beihilfe zum Mord zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
5 Jahren. Das Verfahren vor dem Landgericht München II war geprägt von massivem
und unvorstellbarem Gesetzes- und Rechtsbruch.
Der Angeklagte wurde entgegen
einer Einreiseverweigerung des Bundesinnenministeriums, die voll und ganz der
fehlenden Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit für Auslandsstraftaten
mit nationalsozialistischem Hintergrund von Nichtdeutschen im Ausland
entsprach, ferner der 70-jährigen Rechtspraxis des Bundesjustiz- und des
Bundesinnenministeriums, ferner der 70-jährigen Rechtspraxis aller
Staatsanwaltschaften und Gerichte der Bundesrepublik Deutschland, unter Verstoß
gegen nationales und internationales Recht, unter Verstoß gegen die Konvention
der UNO und das Legalitätsprinzip sowie unter Verstoß gegen anerkanntes
Völkerrecht, schließlich unter Umgehung des Auslieferungsrechtes zwischen
Deutschland und den USA, zu einem politischen Schauprozess in die
Bundesrepublik verbracht. Der Angeklagte wurde sodann unter Verstoß gegen Art.
103 Abs. 2 des GG ohne Zuständigkeit deutscher Strafgerichte und ohne
Anwendbarkeit deutschen Rechtes für Auslandsstraftaten von Ausländern im
Ausland wegen Beihilfe zum Mord angeklagt.
Dabei wurde das Tatstrafrecht der
Tatzeit 1943 in sein Gegenteil verkehrt, indem Angehörige der Trawniki-Wachmannschaften
zu deutschen Amtsträgern des deutschen Reiches erklärt wurden, eine Auslegung
und Interpretation des Gesetzes, die auf Sachwillkür beruhte und gegen Art. 3
des GG verstieß. Anklage und das Urteil des Landgerichts München II wurden nicht
auf der Grundlage geltenden Rechtes und geltender Gesetze erlassen, welche
einen Individualschuldnachweis und eine Beteiligung des Angeklagten an
konkreten Taten und deren Nachweis
erforderten. Sämtliche Grundlagen des deutschen Rechts wurden im Falle
Demjanjuk für nicht maßgeblich erklärt und erstmals in der Geschichte der
Bundesrepublik nur für diesen Prozess eine neue Rechtstheorie kreiert, auf
deren Grundlage der Angeklagte verurteilt wurde.
Inzwischen rühmt sich die
Ludwigsburger Zentralstelle mit dieser verfassungswidrigen Vorgehensweise.
Es wird überreicht der Artikel der Frankfurter Rundschau vom
25.9.2012, wo es unter anderem heißt:
Jahrzehntelang taten sich deutsche
Richter schwer mit Kriegsverbrechern. Denn ihnen mussten konkrete Exzesstaten wie
Mord nachgewiesen werden. Insofern ist der Fall Breyer zu vergleichen mit
Demjanjuk, sagt Kurt Schrimm, Leiter der Zentralstelle. Demjanjuk war zu 5
Jahren Haft verurteilt worden, ohne dass ihm Einzeltaten nachgewiesen wurden.
Die Richter sahen es als erwiesen an, dass jeder SS-Mann und jeder Wachmann als
„Teil der Mordmaschinerie“ am Massenmord beteiligt war. ... Diese
Rechtsauffassung setzte sich laut Schrimm in der Zentralstelle erst in den
letzten Jahren durch – was der Grund dafür ist, dass der Fall Breyer, der dort
über Jahre schlummerte, bevor Kirsten Götze ihn aufgriff, ein Aktenzeichen aus
dem Jahre 2003 hatte. Das neue Denken hätte sich möglicherweise überhaupt nicht
durchgesetzt, wenn nicht Kirsten Götze und Thomas Walther die Fälle Demjanjuk und
Breyer ausgegraben und bei den Staatsanwaltschaften Druck gemacht hätten.
Diese Argumentation ist nichts anderes als eine massive
Abkehr vom Individualstrafrecht der Bundesrepublik Deutschland und dem vom
Rechtsstaatsprinzip und der Menschenwürde geforderten individuellen
Schuldnachweis und somit ein Verstoß gegen Art. 20 und Art. 1 des GG in Verbindung
mit Art. 103 Abs. 2. Ohne gesetzliche Grundlage schafften sich im vorliegenden
Fall Ermittler und Justizbehörden eine Rechtstheorie mit folgendem Inhalt:
Es sei nur zu beweisen, dass
Demjanjuk einer Trawniki-Einheit angehörte, die in Vernichtungslagern
eingesetzt wurde. Wenn dieser Beweis erbracht war, folgte die Schuld
automatisch aus dieser Beweislage, ohne dass der Angeklagte dieser in
irgendeiner Weise entrinnen konnte. Dabei spielte es keine Rolle, ob Demjanjuk
als Kriegsgefangener zum Dienst in einer Trawniki-Einheit gezwungen wurde und
unter ständiger Todesdrohung nach dem Militärstrafgesetzbuch als
Kriegsgefangener stand. Es spielte auch keine Rolle, dass nach § 47
Militärstrafgesetzbuch grundsätzlich der Vorgesetzte, nicht aber der
Befehlsempfänger verantwortlich war. § 47 wurde schlechterdings für unanwendbar
erklärt, obwohl er zwingend im Verfahren hätte berücksichtigt werden müssen.
Der Schuldspruch in Sachen Demjanjuk beruhte von vorne
herein nicht auf einer Anklage, einer Hauptverhandlung und einer Beweisaufnahme
sowie auf einer Beweiswürdigung der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise,
vielmehr war die aufgestellte Rechtstheorie selbst
der Schuldspruch
und die Vorbedingung der Anklage.
Stimmte man der aufgestellten Rechtstheorie zu, war der
Schuldspruch automatisch und damit identisch mit der Rechtstheorie. Mit
Zulassung der Anklage und Eröffnung des
Hauptverfahrens hatte das Landgericht München II die Rechtstheorie bejaht und
damit den Schuldspruch bereits vor Beginn der Hauptverhandlung gefällt. Der
Schuldspruch stand somit fest, bevor überhaupt mit dem Gerichtsverfahren
begonnen wurde. Die Rechtstheorie war der Kollektivschuldspruch für alle
Trawniki und alle SS-Leute in Vernichtungslagern, gleichgültig, wie sie dorthin
gekommen waren, gleichgültig, was sie dort taten, und gleichgültig, unter
welchen Umständen sie dort Dienst leisten mussten, sollten oder wollten. So
diente das Verfahren vor dem Landgericht München nicht der Klärung der Frage,
ob der Angeklagte schuldig oder nicht schuldig war. Der Prozess diente
ausschließlich dem medienwirksamen Nachweis, der Angeklagte sei Trawniki
gewesen. War er Trawniki, stand seine Schuld von vorne herein aufgrund der
außerhalb der Hauptverhandlung gebildeten neuen Rechtstheorie, dem juristischen
Neuland und dem Dammbruch 70 Jahre nach dem Krieg
unwiderlegbar fest.
Schon von daher ist offensichtlich, dass es sich um einen
politischen Schauprozess handelt, der nicht zu einer Schuldfeststellung oder
Freispruch gegen den Angeklagten führen konnte, sondern den Schuldspruch gegen
den Angeklagten zur Voraussetzung des Prozesses, nicht aber zur möglichen Folge
der Prozessführung hatte.
Auf die dem Bundesverfassungsgericht bekannten zahlreichen
Pressemitteilungen über diesen Dammbruch und das juristische Neuland, welches
in diesem Fall beschritten wurde, wird ausdrücklich hingewiesen. Wegen der
Veröffentlichung in der Presse sind die Tatsachen gerichtsbekannt.
Nach 70-jähriger genau umgekehrter Rechtspraxis wurden
erstmals Beweismittel, die ausschließlich aus den Kellern des Geheimdienstes
der Sowjetunion unter Stalin stammten, als Beweisdokumente zugelassen und in
einem deutschen Prozess gegen einen Angeklagten verwandt, Verstoß gegen Art. 3
GG. Obwohl das polnische Institut für nationales Gedenken rechtskräftig im
Sinne des Art. 54 SDÜ den Angeklagten vom Vorwurf einer Beteiligung am Mord in
Sobibor durch einen Gerichtsbeschluss gleichen Einstellungsbeschluss
„freigesprochen“ hatte, wird unter Verstoß gegen ne bis in idem der Angeklagte
zum zweiten Mal verurteilt, Verstoß gegen Art. 103 Abs. 3. Dabei wird entgegen
Art. 54 SDÜ und entgegen den einschlägigen polnischen Gesetzen und entgegen der
Auskunft der polnischen Staatsanwaltschaft, dass die Einstellung des Verfahrens
gegen den Angeklagten wegen Beteiligung an den Morden in Sobibor einem
rechtskräftigen Gerichtsbeschluss gleich steht, wider besseren Wissens
behauptet, es handele sich um eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft
Polen, die die Qualität einer Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft in
Deutschland nach § 170 StPO habe.
Diese letzter Behauptung ist das glatte Gegenteil der
Wahrheit und der Bedeutung der polnischen Entscheidung vom 19.12.2007, die eine
Anklage gegen Demjanjuk in der Bundesrepublik von vorne herein zwingend
ausschloss.
Ohne jede gesetzliche Grundlage wurde wider besseren
Wissens verweigert, die angeblichen Taten unter Berücksichtigung des § 47
Militärstrafgesetz und des geltenden Tatstrafrechts zu beurteilen, ja § 47
Militärstrafgesetzbuch überhaupt anzuwenden, Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG.
§ 47 Militärstrafgesetzbuch, ferner die Regelungen des Militärstrafgesetzbuches
über Kriegsgefangene und die im Militärstrafgesetzbuch enthaltene Todesdrohung
gegen Kriegsgefangene bei Dienstverweigerung waren zwingend anzuwenden.
Landgericht und das Oberlandesgericht München als Haftgericht haben sich im
Verfahren gegenseitig überboten, mit objektiv gänzlich abwegigen
Argumentationen die Geltung des Militärstrafgesetzbuches und der vorgenannten
Bestimmungen desselben auf Trawniki und in diesem Prozess zu bestreiten, obwohl
die Anordnungen des Reichsführers SS vor den Richtern des Landgerichts und des
Oberlandesgerichts auf dem Richtertisch lagen.
Die historische Wahrheit und das Tatzeitstrafrecht wurden
vom Oberlandesgericht und vom Landgericht München ins Gegenteil verkehrt, weil
sie der Rechtstheorie = Schuldspruch diametral entgegenstanden.
Die Tatsache, dass John Demjanjuk auch in Israel sich
wegen Sobibor zu verantworten hatte, Sobibor Gegenstand des Strafverfahrens in
Israel war und der Angeklagte wegen Sobibor in Israel 8 Jahre Untersuchungshaft
erlitten hat, davon 5 Jahre in einer Todeszelle, hätte zwingend zur Verneinung
eines staatlichen Strafanspruches der Bundesrepublik Deutschland, zur
Verweigerung der Prozessführung und zur Einstellung des Verfahrens führen
müssen. Um die politisch gewollte und von OSI und dem Simon Wiesenthal Zentrums
geforderte Verurteilung des Angeklagten nicht zu gefährden, wurden die
eindeutigen Beweise, dass der Angeklagte in Israel 8 Jahre wegen Sobibor in
Untersuchungshaft verbracht hat, in ihr Gegenteil verkehrt, Verstoß gegen Art.
3 des GG in Gestalt des Verbotes sachwillkürlicher Entscheidungen.
Die Tatsache, dass der Angeklagte, seine
Trawniki-Eigenschaft unterstellt, als Kriegsgefangener gezwungen wurde, für das
System Trawniki und das System Vernichtungslager der Deutschen zu arbeiten,
dass er als Kriegsgefangener ständig und in massivem Befehlsnotstand und unter
Todesdrohung des Militärstrafgesetzbuches stand, wurde vom Landgericht wegen
der strikten Forderung von OSI und dem Simon Wiesenthal Zentrums, den
Angeklagten zu verurteilen, unter Verstoß
gegen das Sachwillkürverbot des Art. 3 ignoriert.
Es wurde beiseite geschoben, was 70-jährige Rechtspraxis
in der Bundesrepublik war, nämlich das gegen Trawniki nicht vorgegangen wurde,
weil sie, wie die Staatsanwältin Helge Grabitz in umfassenden Publikationen
nachgewiesen hatte, nicht verfolgt werden durften als sogenannte kleinste
Befehlsempfänger auf unterster Hierarchiestufe, die nicht freiwillig, sondern
gezwungen Diensthunde der Deutschen waren, die vor der Wahl standen, erschossen
zu werden oder nur so ihr Leben retten zu können.
Die Aufgabe der ständigen Rechtspraxis von 70 Jahren
Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland durch das Landgericht München
II und der Staatsanwaltschaft München beruhte ausschließlich darauf, dass die
Justizbehörden sich den Forderungen des OSI, des Simon Wiesenthal Zentrums und
der Politik auf Verurteilung von John Demjanjuk, die bisher unterblieben war,
unter Aufgabe ihrer Unabhängigkeit und
unter Unterordnung unter die Forderungen des OSI und des Simon
Wiesenthal Zentrums fügten.
Die gleichen Gründe waren es, die das Landgericht
veranlasst haben, bei seiner Beweisführung sämtliche zugunsten des Angeklagten
in der Beweisaufnahme vorgetretenen
Beweisumstände im Urteil wegzulassen, insbesondere die Aussagen des
Kronzeugen Danilschenko, an die anknüpfend das israelische Oberste Gericht
ausdrücklich festgestellt hat:
Wir können Demjanjuk wegen Sobibor nicht verurteilen, weil Danilschenko
uns mitgeteilt hat, dass Demjanjuk oftmals während seiner Anwesenheit in
Sobibor nicht im Lager war, sondern auf Außeneinsatz, auf Sonderurlaub oder auf
anderen Missionen.
Diese Entscheidung des Obersten israelischen Gerichts,
dass der Angeklagte Demjanjuk nicht wegen Sobibor verurteilt werden konnte, und
zwar gerade aufgrund der Aussage Danilschenkos, war die auch für das
Landgericht München allein mögliche Rechtsfolge, die sich aus den Beweismitteln
und den Beweisergebnissen im Prozess vor dem Landgericht München II sowie den
Beweisanträgen der Verteidigung, die praktisch sämtlich abgelehnt wurden, ergab.
Allein schon die Aussage Danilschenkos stand einer Verurteilung des Angeklagten
diametral entgegen und machte eine solche von Rechtswegen unmöglich.
Das Landgericht und die Justizbehörden sind dennoch den
politischen Forderungen auf Verurteilung des Angeklagten sowie insbesondere den
Forderungen des OSI und des Simon Wiesenthal Zentrums nachgekommen und haben
sich an deren Forderungen ausgerichtet. Das Landgericht hat deshalb im Urteil
mit keinem Wort erwähnt, dass nach dem Inhalt der Aussagen Danilschenkos es
ausgeschlossen war, nachzuweisen, dass der Angeklagte zu den in der Anklage
genannten Zeiten bei Anlieferung und Vernichtung der Vernichtungsopfer
überhaupt anwesend, geschweige denn tätig war. Zwar wurde dieser Teil der
Aussage Danilschenkos verlesen, die alles entscheidende Entlastung des
Angeklagten durch die Aussage Danilschenko wurde vom Landgericht jedoch im
Urteil „unter den Tisch“ fallen gelassen.
Von einer prozessualen Ordnungsmäßigkeit der
Prozessführung kann angesichts dieser Tatsachen auch nicht ansatzweise die Rede
sein. Dass die Entlastung durch Danilschenko im Urteil keine Erwähnung findet,
erklärt sich daraus, dass der Schuldspruch = Rechtstheorie schon vor Beginn der
Hauptverhandlung feststand und durch nichts gefährdet werden durfte.
Mit den Beweisanträgen der Verteidigung in Bezug auf
Befehlsnotstand und Putativnotstand wurde nachgewiesen, dass in den
Vernichtungsfabriken Todesurteile gegen ihre Mitarbeiter gefällt und
vollstreckt wurden, Trawniki-Männer fortlaufend selbst bei den geringsten
Dienstvergehen ausgepeitscht und schwer bestraft wurden,
Trawniki-Männer zur Arbeit gezwungen und bei Verweigerung
der Arbeit erschossen oder ausgepeitscht wurden oder ins Konzentrationslager
verbracht wurden, bei Fliehen aus der Vernichtungsfabrik gesucht und bei
Wiederaufgreifen erschossen wurden, ferner Eltern, Angehörige und Verwandte als
Geisel genommen, verhaftet und erschossen wurden. Die Konsequenz war die, die
Staatsanwältin Helge Grabitz zurecht bei Trawniki gezogen hat. Ihnen war
generell Befehlsnotstand / Putativnotstand zuzubilligen, weil er im Zweifel bei
Trawniki nicht ausgeschlossen werden konnte. Grabitz stellte 70 Jahre
Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahre 2008 dar. Für den
Fall Demjanjuk und zur Erfüllung der Forderungen von OSI und des Simon
Wiesenthal Zentrums, welches Demjanjuk im Jahre 2008 plötzlich zum
meistgesuchten Kriegsverbrecher erklärte, obwohl dem Leiter des Zentrums, Dr.
Zuroff der Wohnsitz und Aufenthalt von John Demjanjuk bestens bekannt war,
wurde das Gesetz im Jahre 2008 zugunsten der neuen Rechtstheorie = Schuldspruch
für den Fall Demjanjuk, und nur für diesen, suspendiert, zugunsten einer
unzulässigen verfassungswidrigen Sonderverfolgung, wie sich aus den
insbesondere von Hassemer in seinen Beiträgen erarbeiteten Kriterien
zweifelsfrei ergibt.
Vielleicht nimmt das Bundesverfassungsgericht den
ausgewiesenen Kenner der Materie, den weltweit bekannten holländischen
Historiker und Professor an der Universität Amsterdam Christian Rüthers ernst
und hört auf ihn:
Professor Christian Rüthers hat die Behauptung der
Staatsanwaltschaft und die Behauptung des Landgerichts, dass Trawniki aus
Sobibor fliehen und gefahrlos Befehle verweigern konnten, als das bezeichnet,
was es ist, nämlich als
Märchen =
Unwahrheit.
Die Verteidigung hatte im Prozess über 30 Aussagen von
Trawniki-Wachmännern zusammengestellt und vorgetragen, die bezeugten, dass
Befehlsnotstand, Todesangst und Lebensgefahr für den Fall der Verweigerung von
Befehlen oder für den Fall der Flucht bestand.
Jakob Engelhardt sagt am 21.8.1975 aus:
Wenn
irgendeiner erzählt oder berichtet, was hier geschieht oder das Lager verlässt,
wird er bestraft werden. Die Strafe bestand im Zurücksenden zum
Kriegsgefangenenlager oder du konntest erschossen werden. Wir waren
Kriegsgefangene, immer noch.
Fedor Tikhonovskij sagt am 30.11.1964
aus:
Timoshenko
und Potravka wurden von den Deutschen erschossen, als sie Vorbereitungen zur
Flucht trafen, um sich den Partisanen anzuschließen.
Mykola Hutsullyak sagt am 6.12.1989 auf
die Frage, ob er eine Möglichkeit gesehen habe, den Dienst in der SS zu
verweigern:
Wenn
ich mich verweigert hätte, hätten sie mein Haus niedergebrannt oder meine
Eltern ermordet.
Ivan Kishchuk sagt am 20.2.1995 auf die
Frage, ob er im jüdischen Arbeitslager von Trawniki Wache gestanden habe:
Ja,
ich habe dies getan, sonst hätten sie mich erschossen.
Stepan Kopytyuk sagte am 4.7.1951:
Die
Deutschen erschossen Deserteure der SS-Truppe. Ich hatte deshalb Angst, aus dem
SS-Lager zu fliehen.
Litvinenko sagt am 6.2.1969:
Ich
wollte den Deutschen nicht dienen, aber aus Angst davor, bei einer Weigerung ihnen
zu dienen, erschossen zu werden, habe ich dem Dienst zugestimmt. Die Deutschen
erklärten uns, dass jeder, der versuchen würde, zu entfliehen, erschossen
würde. Die Mitglieder der Familie würden ebenfalls erschossen werden.
Am 16.10.1968 sagt derselbe:
Wachmann
Patyuk floh, er wurde ergriffen und erschossen.
Anastasiy Wrodi sagt am 17.4.1952:
Ich
gestehe, dass ich ein schweres Verbrechen gegen das Mutterland begangen habe.
Aber ich wurde gezwungen zu diesem Verbrechen durch die Drohung, den Hungertod
zu erleiden. Jetzt bedaure ich, dass ich nicht am Hungertod gestorben bin.
Sergej Prikhodko sagt am 9.10.1964 aus:
Der
Dolmetscher begrüßte uns als neu angekommenes Personal. Er erklärte, dass
jeder, der nicht in diesen Truppen dienen wollte, nach vorne treten sollte. Er
fügte hinzu, dass jeder, der aus der Formation nach vorne treten würde,
erschossen würde. Nach dieser Warnung ist niemand nach vorne getreten und in
dieser Weise haben wir alle den Dienst bei der SS begonnen.
Mykhajlo Prodanyuk sagt am 21.2.1995:
Zwei
Männer von der Ostukraine, die mit uns dienten, warfen ihre Waffen auf den Boden
und flohen, als die Front näher rückte. Sie wurden später jedoch gefangen.
Als
die beiden erschossen wurden, mussten wir aus unseren Baracken, um einen Zirkel
um die Hinrichtungsstätte zu bilden. Man sagte uns, wenn einer von uns fliehen
würde, wie diese beiden es getan hätten, würden wir ebenfalls erschossen.
Emanuil Shults berichtet am 13.7.1961:
Ich
erinnere mich, dass wir vor Beginn der Schulung erklärt bekamen, dass jeder,
der sich weigern würde, in der SS zu dienen, in ein Konzentrationslager
geschickt würde und nicht in ein Kriegsgefangenenlager. Ich glaube, dass diese
Erklärung vom Lagerkommandanten Streibel selbst gemacht wurde.
Am 19.2.1961 sagt derselbe:
Als
ich im Cholm-Kriegsgefangenenlager war, sah ich, wie die Menschen vor Hunger
und Krankheit starben. Ich glaubte daran, dass ich dasselbe Schicksal erleiden
musste. Natürlich, ich wollte nicht sterben. Ich war jung, ich wollte
studieren. Ich habe nach jeder Möglichkeit ausgeschaut, um aus dieser Situation
herauszukommen, um mein Leben zu retten. [...]
Um
mein eigenes Leben zu retten, habe ich das Training im Trawniki-Camp aufgenommen.
[...] Ich habe mir nicht in dieser Zeit vorgestellt, dass die Deutschen mich in
den Vernichtungslagern von Sobibor und Treblinka benutzen würden.
Am 19.7.1961 sagt Shults:
Oberhauser
warnte uns eindringlich vor den leichtesten Dienstvergehen und der Weigerung,
Befehle der Lageradministration nicht auszuführen. Solche Wachmänner würden
automatisch mit dem Erschießen bestraft.
Am 28.6.1961 sagt derselbe:
Im
Lager herrschte strikte Disziplin. Die Wachmänner wurden für die kleinste
Übertretung bestraft. Es gab nur eine Form der Bestrafung: Auspeitschen.
Diese Bestrafungen wurden im
Beisein der Formationen ausgeführt. Der schuldige Wachmann wurde ausgezogen,
auf einen speziellen Sitz befestigt und sein nacktes Gesäß wurde mit einer
Peitsche oder einem Stock geschlagen.
Die Verteidigung hat im Verfahren eine Liste überreicht,
die den Nachweis enthielt, dass mindestens 50 Trawniki während ihres
erzwungenen Dienstes in den Vernichtungslagern von der SS ermordet wurden.
50 tote Trawniki waren der Beweis dafür, dass die
Behauptung der Staatsanwaltschaft und des Landgerichts, den Trawniki sei die
Flucht möglich gewesen und das Risiko sei gering gewesen, die Behauptung einer
historischen Unwahrheit, eines „Märchens“ darstellt. Die Verteidigung hatte auf
die historisch bekannte Aussage von Pitrow hingewiesen, nach der in der Zeit,
in der er in Trawniki war, 120 Trawniki im Wege des Mordes durch die SS
hingerichtet wurden. Es kam hinzu, was das Landgericht Hagen im ersten
Sobibor-Prozess auf Seite 399 niedergelegt hat:
Allerdings ist nach den
unwiderlegten Angaben der Angeklagten davon auszugehen, dass Wirth Angehöriger
der ukrainischen Wachmannschaft hat erschießen lassen, wobei es sich aber um
Leute gehandelt hat, die entweder verbotene Tauschgeschäfte betrieben hatten
oder desertiert und wieder aufgegriffen worden waren.
Auf Blatt 403 des Urteils heißt es:
Zunächst
einmal hatte Wirth, wie dargestellt worden ist, jedenfalls den Ruf, ein unbarmherziger
Vorgesetzter zu sein, und er bestärkte jedem dieser Angeklagten gegenüber den
Eindruck, er werde nicht nur Übles androhen, sondern auch tun, wenn man ihm
nicht widerspruchslos gehorche. Außer durch das Auftreten und Gebaren des
Wirth, wurde dieser Irrtum auf dem Hintergrund der im damaligen autoritären
System bestehenden Befehls-Überbewertung dadurch erheblich bestärkt, dass Wirth
ja als Vollstrecker eines Führerbefehls auftrat, also mit der Autorität der
höchsten Staatsführung ausgestattet war und dass zum anderen die Aktion
Reinhardt mit der höchsten Geheimhaltungsstufe als geheime Reichssache
ausgestattet war, mithin auch mit der Schweigepflicht, die den Angeklagten
gegenüber ausdrücklich mit der Androhung schärfster Strafen bewehrt war.
Hinzu
kam, dass den aus der T4-Aktion kommenden Angeklagten bekannt war, dass dort
einige Male vorkommende Verletzungen der Geheimhaltungspflicht schwer geahndet
worden waren (Fälle Keimer und Ahrendt).
In
den Angeklagten und den übrigen Teilnehmern der Aktion Reinhardt hatte sich dadurch
die Meinung gebildet, dass, wenn schon die Verletzung der Schweigepflicht
schwer geahndet werde, die viel schwerer wiegende Verletzung der
Gehorsamspflicht noch schärfer bestraft werde, möglicherweise mit der
Verbringung in ein KZ oder sogar mit der Todesstrafe, vielleicht auch durch
stillschweigende Liquidierung verfolgt werden würde. Gerüchte solcher Art
fanden in der allgemeinen Atmosphäre des Misstrauens im Lager untereinander und
damit auch zur Kenntnis des angeklagten Wachmanns gelangend, fruchtbaren Boden.
Bezeichnend dafür sind das damalige Gerede über den Tod des Aufsehers Fichtner
im Lager Belzec, ja später auch über den Tod von Wirth und Reichleitner
anzuführen, die hinterrücks von ihren eigenen Leuten erschossen worden sein
sollten. [...] Die sich hiernach bei den angeklagten Wachmännern Schütt und
Unverhau sowie Juhrs und Zierke gebildete entschuldbar irrige Annahme, in einer
Zwangslage, das heißt einer Nötigungs-Notstandslage des § 52 Strafgesetzbuch zu
sein, kann als Irrtum über die tatsächlichen Grundlagen eines
Entschuldigungsgrundes nach den §§ 59, 52 Strafgesetzbuch zum Strafausschluss
führen.
Den erdrückendsten Beweis gegen die Schuldfeststellungen
des Landgerichts München liefert die Staatsanwaltschaft München selbst im
Belzec-Verfahren.
Hier führte der Staatsanwalt aus:
Ohne erst ein SS-Gericht
einzuschalten, Verweigerung, Befehlen von ihm zu gehorchen, führte zum sicheren
Tod.
Es muss in diesem Zusammenhang auf das verwiesen werden,
was Helge Grabitz in ihrem Beitrag „Iwan Demjanjuk zum Tode verurteilt“ in
Tribüne, Zeitschrift zum Verständnis des Judentums, Seite 176 bis 182
vorgetragen hat. Hier heißt es:
Allerdings
– und hier liegt in der Schuldfrage der entscheidende Unterschied zu den
deutschen Gehilfen – ist bei den Trawniki eine entschuldigende Putativbefehlsnotstandslage
im Sinne des § 35 Abs. 2 Strafgesetzbuch generell nicht auszuschließen oder mit
der erforderlichen Sicherheit zu widerlegen, das heißt, die irrtümliche
Vorstellung über das Vorliegen einer Befehlsnotstandssituation. Bei deutschen
Tatgehilfen ist hingegen nur in ganz bestimmt gelagerten Einzelfällen eine
entschuldbare Putativbefehlsnotstandslage anzunehmen.
Dieses
unterschiedliche rechtliche Ergebnis findet seinen entscheidenden Grund in der
Tatsache, dass die Trawniki in ihrer untergeordneten Position, als ehemalige
russische Kriegsgefangene im Ausbildungslager, in einer unvergleichlich anderen
psychologischen Drucksituation standen, als beispielsweise ihre deutschen Zug-
oder Kompanieführer. Ob und gegebenenfalls wie weit sie rechtlos waren, konnten
sie im Zweifel nicht ermessen. Für geringfügige Disziplinarverstöße wurden sie
mit unangemessenen Strafen belegt. Waren sie angeblich für Trawniki nicht
tragbar, wurden sie in die Kriegsgefangenenlager zurückgeschickt – zumindest
wurde ihnen damit gedroht, was angesichts der dortigen katastrophalen Zustände
den ziemlich sicheren Tod bedeutete.
Diese
Angst vor dem beinahe sicheren Krepieren schloss Befehlsverweigerung im Einsatz
aus ihrer Sicht aus. Angesichts ihrer Sondersituation ist es zumindest nicht
auszuschließen, dass sie mit ihrer eigenen Erschießung rechneten. Ob zu Recht
oder zu Unrecht, ist bei der Prüfung des Vorliegens eines
Putativbefehlsnotstandes logischerweise völlig gleichgültig.
Die
Verfahren wegen Beihilfe zum Mord mussten daher aus dem Grundsatz in dubio pro
reo mit der Begründung des nicht ausschließbaren Putativbefehlsnotstandes eingestellt
werden.
Zusammenfassend:
Den Strafprozess gegen John
Demjanjuk durchzuführen, bedeutete im vorliegenden Fall aufgrund einer mit dem
Gesetz unvereinbaren Rechtstheorie den Angeklagten in verfassungswidriger und
konventionswidriger Weise entsprechend den Forderungen von OSI und des Simon
Wiesenthal Zentrums an die deutschen Justizbehörden zu verurteilen im Wege des
Betretens „juristischen Neulandes“.
Juristisches Neuland betreten
hieß in diesem Falle,
das Legalitätsprinzip aufzugeben, das
Rechtsstaatsprinzip auszuhöhlen, selektive Strafverfolgung durchzuführen, gegen
Art. 3 GG und EMRK zu verstoßen, die Beweislast auf den Angeklagten abzuwälzen,
auf einen individuellen Tatnachweis zu verzichten, das Tatzeitrecht außer Acht
zu lassen, das Rückwirkungsverbot zu verletzen, das Tatzeitstrafrecht aus dem
Prozess zu verbannen, ne bis in idem und Art. 54 Schengener
Durchführungsübereinkommen (SDÜ) zu verletzen, Anrechnungspflichten nach § 51
Strafgesetzbuch nicht zu erfüllen, Spekulation, Vermutung und die Überzeugung
von der eigenen Unfehlbarkeit zu Strengbeweismitteln im Sinne der Strafprozessordnung
zu erklären, die historische Wahrheit in ihr Gegenteil zu verkehren.
Deutschland war gut beraten und ist gut
damit gefahren, die kleinsten der kleinen Fische nicht vor Gericht zu stellen,
nicht anzuklagen, ihre Not anzuerkennen und ihre aussichtslose Lage zu
akzeptieren. Das Betreten juristischen Neulands bedeutet, dieses Recht, diese
Rechtsprechung zu Unrecht zur Rechtsbeugung zu erklären, nur um einen einzigen
Prozess, einen selektiven Prozess gegen den letzten lebenden angeblichen Trawniki,
den kleinsten der kleinen Fische führen zu können, mit dem Ziel, auf Kosten
dieses alten Mannes Deutschland von der Alleinschuld am Holocaust freizusprechen.
70 Jahre
Nachkriegsrechtsprechung, 70 Jahre Überzeugung von Ludwigsburg,
Staatsanwaltschaften, Generalstaatsanwälten und Justizministerien sowie aller Gerichte
Deutschlands werden zu Blindflügen der Justiz erklärt, um die Versäumnisse der
deutschen Justiz gegenüber den Nazibossen auf einen Menschen abladen zu können,
auf einen verhandlungsunfähigen schwerkranken Greis, mit Namen John Demjanjuk.
Wie abseits von Recht und Gesetz,
von Verfassung und Konvention dieser Prozess geführt wurde, ergibt sich aus
einem Interview des Spiegel Online mit dem Nebenklägervertreter Prof. Nestler.
Es heißt hier:
Spiegel
Online: Derweil berichten Historiker und Sachverständige über die Abläufe im
Vernichtungslager Sobibor. Wann wird es um die individuelle Schuld Demjanjuks gehen?
Nestler:
Selbstverständlich muss hier wie in jedem anderen Strafverfahren die individuelle
Schuld festgestellt werden. Aber darum geht es ja bei jedem einzelnen Verhandlungstag:
Um das, was Wachmänner wie John Demjanjuk in Sobibor gemacht haben.
Spiegel
Online: Mehrere Dokumente sprechen dafür, dass Demjanjuk von der SS für den
Massenmord ausgebildet und nach Sobibor verlegt wurde. Aber muss ihm die Anklage
nicht nachweisen, was er dort genau getan hat?
Nestler:
Wir wissen aus Zeugenaussagen und aus historischer Forschung recht genau, was
die Aufgabe der Wachmänner im Lager war. Und die Wachmänner selbst wussten es
auch. Deshalb ist alles, was Demjanjuk in Sobibor getan hat, als Beihilfe zum
Massenmord zu werten.
Spiegel
Online: Wird er damit nicht für etwas angeklagt, was möglicherweise andere
begangen haben?
Die neue Ermittlergeneration weiß von
Historikern und Sachverständigen angeblich, was Wachmänner, wie John Demjanjuk
in Sobibor gemacht haben. Damit weiß die neue Ermittlergeneration aber noch
lange nicht, ob John Demjanjuk das gemacht hat, was Wachmänner wie John
Demjanjuk in Sobibor gemacht haben. Eine Schuld des Angeklagten hat nach
unserem Schuldstrafrecht die unverzichtbare Voraussetzung, dass die neue
Ermittlergeneration den Beweis erbringt, dass John Demjanjuk in Sobibor das gemacht
hat, was nach Historikern und Sachverständigen Wachmänner wie John Demjanjuk in
Sobibor gemacht haben.
Der Interviewausschnitt ist das
Zeitdokument der juristischen Hilflosigkeit der neuen Ermittlergeneration,
gleichzeitig ein juristisches Armutszeugnis. John Demjanjuk soll schuldig sein,
weil wir wissen, was Wachmänner wie John Demjanjuk in Sobibor gemacht haben,
während wir nicht wissen, was John Demjanjuk selbst in Sobibor gemacht hat. Das
hat mit Beweisführung, mit Rechtsfindung und Gerechtigkeit nichts mehr zu tun.
Das Bundesverfassungsgericht hat
all dem, obwohl ständig von dem Angeklagten angerufen und um Hilfe gebeten,
tatenlos zugesehen.
Indem es trotz
verfassungsrechtlicher Verpflichtung zum Eingreifen nicht eingegriffen hat, hat
es in den Augen der Weltöffentlichkeit die zahllosen Rechtsbrüche und
Rechtsverletzungen im Verfahren John Demjanjuk gebilligt.
Das Bundesverfassungsgericht hat
die historische Verantwortung für diesen Prozess und dessen Ausgang übernommen.
B.
Der Schuldspruch des Landgerichts
München, der schon vor dem ersten Prozesstag, dem 30.11.2009, feststand, wurde
am 12.5.2011 verkündet. Zur Abfassung des Urteils nahm sich das Landgericht
München die gesetzlich zugelassene Höchstzeit von etwas mehr als 5 Monaten. Die
Beanspruchung der gesetzlichen Höchstzeit stand in unvereinbarem Widerspruch
mit den vom Verhandlungstag zu Verhandlungstag wiederholten „Beschimpfungen“
der Verteidigung, diese würde das Verfahren verzögern, in die Länge ziehen und
gegen das Beschleunigungsinteresse des sowohl hochbetagten als auch schwer kranken
und sehr eingeschränkt verhandlungsfähigen Angeklagten verstoßen. Nach Erhalt
des Urteils reichte die Verteidigung die mehr als 800 Seiten umfassende
Revisionsbegründung beim Landgericht 3 Wochen später ein. Statt nunmehr das Verfahren
zu beschleunigen, befanden sich die Akten noch 5 Monate später, mithin am
17.3.2012, immer noch bei der Generalstaatsanwaltschaft in München, die genau
im gleichen Gebäude, wie das Landgericht München, ihren Sitz hat. Die Akten
hatten somit das Gebäude des Landgerichts München II 10 Monate nach Erlass des
Urteils noch nicht verlassen, sie waren nicht einmal verpackt oder gar auf dem
Weg nach Karlsruhe zum Bundesgerichtshof.
Am 17.3.2012 verstarb der
Angeklagte.
C.
Auf Antrag der
Generalstaatsanwaltschaft stellte das Landgericht München II unter dem 5.4.2012
das Verfahren gegen den verstorbenen Angeklagten ein. Die Entscheidung lautete
wie folgt:
Beschluss
der 1. Strafkammer des Landgerichts München II als Schwurgericht vom
5.4.2012
I. Das Verfahren wird
eingestellt.
II. Es wird davon
abgesehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.
Gründe:
1. Mit Urteil vom 12.5.2011 verhängte die Kammer gegen den Angeklagten
wegen 16-facher Beihilfe zum Mord an insgesamt mindestens 28.060 Menschen eine
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren. Gegen diese Entscheidung legten die
Staatsanwaltschaft München I und der Angeklagte Revision ein, über die nicht
entschieden ist.
2. Am 17.3.2012 ist der Angeklagte verstorben. Das Verfahren ist daher
entsprechend § 206 a StPO einzustellen.
3. Gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO wird davon abgesehen, die
notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.
Der Angeklagte war nach 91-tägiger Hauptverhandlung mit umfangreicher
Beweisaufnahme der 16-fachen Beihilfe zum Mord schuldig gesprochen worden. Der
Schuldspruch beruhte auf einer ausführlichen Beweiswürdigung zu den
Tatsachenfeststellungen und einer Erörterung sämtlicher maßgeblicher
Rechtserwägungen. Auch wenn die Verurteilung mangels Revisionsentscheidung
nicht mehr in Rechtskraft erwachsen konnte, kommt § 467 Abs. 1 StPO nicht zur
Anwendung.
Das Verfahrenshindernis ist nach der Ausgangsverurteilung eingetreten.
Die Dauer der Hauptverhandlung von knapp eineinhalb Jahren resultierte zu wesentlichen
Teilen aus der zeitraubenden Verteidigungsstrategie mit einer exessiven Nutzung
der Erklärungsrechte des § 257 Abs. 2 StPO, häufig unter vielfacher
Wiederholung bereits mitgeteilter Argumente, der Stellung von rund 500
Beweisanträgen, darunter zahlreiche gerichtet auf die Erhebung von bereits
erhobenen und unmöglichen Bewiesen, so etwa die Vernehmung von bereits
verstorbenen Personen, und nicht zuletzt der Anbringung von jeweils über 20
Ablehnungsgesuchen gegen jeden der erkennenden Berufsrichter, ebenfalls häufig
unter Wiederholung bereits verbeschiedener Argumente und Erwägungen. Die
Hauptverhandlung hätte auch bei voller Wahrung der Verteidigerrechte binnen
weniger Monate zu einem Abschluss gebracht werden können, wenn die prozessualen
Rechte zielführend, strukturiert und sachlich ausgeübt worden wären.
Ein rechtskräftiger Verfahrenabschluss zu Lebzeiten des Angeklagten
wäre daher möglich gewesen. Vor diesem
Hintergrund ist es im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung auch ohne
abschließende Schuldzuweisung nicht geboten, eine Erstattungsforderung gegen
die Staatskasse auszusprechen.
Für einen weitergehenden Ausspruch zur Erstattung von Kosten oder
Auslagen, insbesondere betreffend die Nebenkläger, besteht keine
Rechtsgrundlage.
Lenz Wölfel Feneberg
Richter Richterin Richter
am Landgericht am
Landgericht am
Landgericht
Die Entscheidung sticht jedem
Rechtskundigen in ihrer Verfassungswidrigkeit unmittelbar ins Auge. Geht man
davon aus, dass allein der Tod des Angeklagten das Verfahrenshindernis war,
musste das Verfahren nicht nur eingestellt werden, sondern es musste
ausdrücklich tenoriert werden:
Das Verfahren wird
auf Kosten der Staatskasse eingestellt.
Darüber hinaus musste spätestens
seit der Entscheidung des BGH im 45. Band neben der Entscheidung über die
notwendigen Auslagen des Angeklagten auch eine Entscheidung nach § 6 StrEG
herbeigeführt werden, nämlich entschieden werden, ob der Angeklagte für die
durch die Zwangsdeportation und seine anschließende zweijährige Haft
entstandenen Schäden immaterieller sowie materieller Art entschädigt werden
musste.
Hierüber ließ das Landgericht,
obwohl die Entscheidung des BGH im 45. Band als herrschende Meinung bekannt,
kein Wort verlauten.
Gegen die Entscheidung wurde von
den Beschwerdeführern sofortige Beschwerde gem. § 206 a Abs. 2 StPO eingelegt.
Die Beschwerde wurde begründet mit folgenden Schriftsätzen:
Schriftsatz vom
26.3.2012, enthaltend sofortige Beschwerde.
Zusammenfassend wurde eine
vorläufige Begründung erstellt und folgende Argumente angebracht:
- Die Verfahrenseinstellung sei
nicht auf Kosten der Staatskasse erfolgt
- Es fehle an einer Entscheidung
über die Entschädigung des Angeklagten für die erlittene Polizei- und
Untersuchungshaft
- Die Entscheidung, die
notwendigen Auslagen des Angeklagten nicht der Staatskasse aufzuerlegen,
verstoße gegen Art. 6 EMRK. Die Revisionsbegründung und deren Ergänzungen
wurden in Bezug genommen.
- Es fehle an jedweder Erörterung
der dem Verfahren als solchen entgegen stehenden anderen Verfahrenshindernisse,
wie sie in der Revisionsbegründung und ihren Ergänzungen aufgeführt seien. Das
Urteil des LG München II sei in jeder Beziehung nicht prozessordnungsgemäß
zustande gekommen und stelle ein krasses Fehlurteil dar.
- Der Beschluss gehe in keiner
Weise auf die entsprechenden Revisionsbegründungen und deren Ergänzungen ein.
- Der Beschluss sei mit den
Grundsätzen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in NSTZ 1992, Seite
289 und 290 sowie BGH NSTZ 2000, 330, 331 nicht vereinbar. Der Beschluss stelle
eine Schuldzuweisung an den Angeklagten dar.
- Die Dauer der Hauptverhandlung
und die Verteidigungsstrategie seien keine Maßstäbe für die nach § 467 StPO und
Art. 6 Abs. 2 EMRK zu treffenden Entscheidungen.
Im Übrigen wurde Akteneinsicht
beantragt und eine Vertiefung der Begründung in Aussicht gestellt.
Mit Schriftsatz vom 17.3.2012
traten die Beschwerdeführer Vera Demjanjuk und John Demjanjuk jun. der
Beschwerde bei. Beide Personen seien aktivlegitimiert. Sie verfolgten zwingend
den gegebenen Rehabilitationsanspruch für den verstorbene Ehemann bzw. Vater
weiter. Sie seien berechtigt, aus Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 2 EMRK sowie
Art. 25 EMRK. Auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte vom 25.8.1987, AZ: 10300/83 wurde verwiesen.
Unter dem 16.4.2012 wurde die
sofortige Beschwerde umfassend begründet und die Verletzung des Art. 101 Abs.
1, Art. 103 Abs. 1 bis 3, Art. 1, Art. 2, Art. 3 GG sowie die Verletzung des
Art. 6 Abs. 2 EMRK gerügt.
Es wurden folgende Anträge
gestellt:
1. Die Sache
wird dem Bundesgerichtshof zur
Entscheidung vorgelegt.
2. Der
Beschluss des Landgerichts München II vom 5.4.2012 wird aufgehoben und für Null
und nichtig erklärt.
3. Hilfsweise:
a.) Unter Aufhebung
des Urteils des Landgerichts München II vom 12.5.2011 mit samt seinen
Feststellungen wird der Angeklagte freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens
trägt die Staatskasse einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten.
Der Angeklagte ist für die erlittene Polizei- und Untersuchungshaft sowie Auslieferungshaft
nach dem StrEG zu entschädigen.
b.) Unter
Aufhebung des Urteils des Landgerichts München II vom 12.5.2011 mit samt seinen
Feststellungen wird das Verfahren gegen den Angeklagten eingestellt.
Die Kosten des
Verfahrens trägt die Staatskasse einschließlich der notwendigen Auslagen des
Angeklagten. Der Angeklagte ist für die erlittene Polizei- und Untersuchungshaft
sowie Auslieferungshaft nach dem StrEG zu entschädigen.
c.) Das Urteil
des Landgerichts München II vom 12.5.2011 wird für gegenstandslos erklärt und
das Verfahren gegen den Angeklagten eingestellt. Die Kosten des Verfahrens
trägt die Staatskasse einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten.
Der Angeklagte ist für die erlittene Polizei- und Untersuchungshaft sowie
Auslieferungshaft nach dem StrEG zu entschädigen.
Im Übrigen wurde die Beschwerde
wie folgt begründet:
1. Beachtung der Grundsätze der Entscheidung BGHSt Band 45, Seite
108 ff.
Nach den Grundsätzen der vorgenannten Entscheidung, die von der
ausschließlichen Anwendbarkeit des § 206 a StPO im dort entschiedenen Fall
ausgeht, ist beim Tode des Angeklagten durch einen konstitutiven Beschluss das
Verfahren förmlich einzustellen. Eine Selbstbeendigung des Verfahrens, wie sie
noch im BGHSt 34, Seite 184 vertreten wurde, kommt danach nicht in Frage.
Da die Schuldfrage durch den Tod des Betroffenen nicht mehr im Sinne
eines rechtskräftigen Schuldspruches geklärt werden kann, und in vollem Umfang
die Unschuldsvermutung eingreift, muss der konstitutive Einstellungsbeschluss
nicht nur die Einstellung des Verfahrens als solches kostitutiv aussprechen,
sondern darüber hinaus auch Kostenentscheidungen über die Kosten des
Verfahrens, die notwendigen Auslagen des Angeklagten und die
Entschädigungspflicht im Sinne der §§ 5 ff.
StrEG enthalten. Das bedeutet, dass der konstitutive
Einstellungsbeschluss ausdrücklich aussprechen muss, dass die Kosten des
Verfahrens der Staatskasse aufgebürdet werden. Schon daran fehlt es bei dem
angegriffenen Beschluss.
Ferner fehlt es bei dem angegriffenen Beschluss an einer Entscheidung
über die Entschädigung des Angeklagten für die von ihm erlittene Polizei-,
Auslieferungs- und Untersuchungshaft. Auch hierüber musste sich der Beschluss
ausdrücklich und umfassend verhalten, eine Entscheidung fehlt gänzlich.
Was die Frage der Überbürdung der notwendigen Auslagen auf die
Staatskasse angeht, ist hierüber gem. § 467 Abs. 1 StPO zu entscheiden.
Nach dem Willen des Gesetzgebers ist § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO nur
in Ausnahmefällen anwendbar. Im angegriffenen Beschluss werden zwar zu dieser
Entscheidung Ausführungen gemacht, die jedoch sämtlich umfassend neben der
Sache liegen und außerhalb des gerichtlich vorgeschriebenen Prüfungsmaßstabes
und mit Art. 3 GG in Verbindung mit Art. 6
Abs. 2 und § 467 Abs. 1 StPO unvereinbar sind.
Der Beschluss stellt in diesem Zusammenhang darauf ab, dass ein
rechtskräftiger Verfahrensabschluss zu Lebzeiten des Angeklagten möglich
gewesen wäre. In diesem Zusammenhang verteidigt der Beschluss den Schuldspruch
der 1. Strafkammer und stellt ausdrücklich auf diesen ab. Die Rechtskraft des
Schuldspruches sei ausschließlich durch das Verteidigungsverhalten und durch
die Verteidigungsstrategie verhindert worden. Wären die prozessualen Rechte der
Verteidigung zielführend, strukturiert und sachlich ausgeübt worden, wäre der
Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen.
Diese Ausführungen sind mit dem Gesetz unvereinbar.
Die Kammer hatte im Zusammenhang mit der zu treffenden Entscheidung zu
prüfen, ob der Angeklagte ohne das Vorliegen von Verfahrenshindernissen mit
Sicherheit rechtskräftig verurteilt worden wäre, vgl. OLG Koblenz, Beschluss
vom 26.10.2000 – 2 SS 220/00.
Dabei konnte die Kammer nicht auf ihr Urteil zurückgreifen, weil dies
mit dem Tod des Angeklagten gegenstandslos wurde und somit in Wegfall geriet.
Die Einstellungsentscheidung nach § 206 a StPO ist in diesen Fallen
Erstentscheidung
im Sinne des Gesetzes, die das Verfahren zum rechtskräftigen Abschluss bringt.
Die Vorgehensweise und die Entscheidungsgründe der Kammer in dem
angegriffenen Beschluss sind mit diesen Grundsätzen unvereinbar.
Der vom Landgericht
gewählte Maßstab, dass durch die Verteidigungsstrategie eine rechtskräftige
Verurteilung des Angeklagten verhindert worden ist, ist für die Frage der
Überbürdung der notwendigen Auslagen des Angeklagten nicht nur nicht
zielführend, sondern widerspricht direkt und zwingend dem Gesetz. Er ist kein
sachlich begründbarer Maßstab für die Verweigerung der Entschädigung des
Angeklagten.
Im Übrigen kommt
Folgendes hinzu:
Wenn das Landgericht
an einer rechtskräftigen Entscheidung zu Lebzeiten des Angeklagten Interesse
gehabt hätte, hätte es die schriftliche Urteilsbegründung nicht erst am 27.10.,
mithin mehr als 5 Monate nach Verkündung des Urteils, zustellen können, sondern
innerhalb der Frist von einem Monat, wie sie für die Revisionsbegründungen
vorgesehen ist.
Dass im vorliegenden
Fall das Landgericht München in Kenntnis des Lebensalters des Angeklagten und
in Kenntnis seiner schweren in jedem Fall tödlich verlaufenden Erkrankungen die
Frist zur Abfassung der Urteilsbegründung in vollem Umfange ausgeschöpft hat,
stellt sich objektiv als Prozessverschleppung und Verhinderung einer
Entscheidung durch den Bundesgerichtshof dar.
Darüber hinaus hat
das Landgericht München II den Gesetzesbefehl des § 347 StPO objektiv
missachtet. An die zahlreichen Anfragen und Mahnungen seitens der Verteidigung
zur Durchführung des Gesetzesbefehls des § 347 StPO sei erinnert. Die staatsanwaltschaftliche
Erklärung vom 20.2.2012 beweist jedoch,
dass die Revisionsbegründungsschrift der Verteidigung bis zum heutigen Tage
nicht weiter geleitet wurde, mithin in der denkbar massivsten Form gegen die
Gesetzesvorschrift des § 347 StPO objektiv verstoßen wurde. Auch dies ist
Prozessverschleppung und objektive Verhinderung einer Entscheidung des
Bundesgerichtshofes in dieser Sache, in der der Angeklagte einen vollen
Rehabilitationsanspruch hatte.
Die
staatsanwaltschaftliche Erklärung vom 20.2.2012 wird in der Anlage überreicht und zum Inhalt des
diesseitigen Vortrages gemacht.
In diesem Zusammenhang wird auf die Entscheidung des BGH im 35. Band,
Seite 137 ff. verwiesen. Hier heißt es:
Ist die Revision rechtzeitig eingelegt und
sind auch – wie hier – die Revisionsanträge rechtzeitig und in der
vorgeschriebenen Form angebracht, so ist die Revisionsschrift nach § 347 Abs. 1
Satz 1 StPO dem Gegner des Beschwerdeführers zuzustellen.
§ 347 StPO sieht für diesen lediglich eine
Frist von einer Woche zur Abgabe einer Gegenerklärung vor. Nach Eingang der
Gegenerklärung oder nach Ablauf dieser Einwochenfrist sendet die
Staatsanwaltschaft nach § 347 Abs. 2 StPO die Akten an das Revisionsgericht.
2. Beachtung der Grundsätze des BGH Beschluss vom 16.5.2002, 1 StR
553/01
Die Frage, ob der Angeklagte bei Nichteintritt seines Todes mit
Sicherheit rechtskräftig verurteilt worden wäre, ist nach den Grundsätzen des
Bundesgerichtshofes in seinem vorgenannten Beschluss zu entscheiden.
Aus der Entscheidung wird wie folgt zitiert:
Das Verfahren wurde in erster Instanz bis zur Schuldspruchreife
durchgeführt und dem Senat lagen die Revisionsbegründungen nebst Erwiderungen
sowie die Stellungnahme des Generalbundesanwaltes vor.
Im Hinblick auf die vorgesehene Revisionshauptverhandlung hat der Senat
allerdings berücksichtigt, dass dort noch zusätzliche rechtliche Gesichtspunkte
zur Sprache kommen konnten. Darauf durfte insbesondere die Verteidigung bei
ihrem schriftlichen Vortrag vertrauen. Da die Revisionshauptverhandlung nicht
mehr durchgeführt werden konnte, hat der Senat deshalb den
Verfahrensbeteiligten Gelegenheit gegeben, im Hinblick auf die nunmehr zu
treffende Entscheidung zu den Erfolgsaussichten der Revisionen Stellung zu
nehmen. Nachdem diese Stellungnahmen vorlagen, konnte der Senat die für die
revisionsgerichtliche Prüfung maßgeblichen rechtlichen Argumente umfassend
prüfen.
Unterstellt man, dass das Landgericht im vorliegenden Falle das
zuständige Gericht zur Prüfung der Entscheidung über die notwendigen Auslagen
des Angeklagten und über die Entschädigung des Angeklagten für die
durchgeführten Strafverfolgungsmaßnahmen ist, hatte das Landgericht für sich
und seine Entscheidungsfindung genau das zu tun, was der BGH in seinem
Beschluss vom 16.5.2002, 1 StR 553/01 durchgeführt hat. Das Landgericht musste
prüfen, ob die Revision des Angeklagten Erfolgsaussichten hatte oder nicht bzw.
ob die Revision der Staatsanwaltschaft Erfolgsaussichten hatte oder nicht.
Hierzu musste das Landgericht zunächst nach Art. 103 des GG den Beteiligten
Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen. Dies ist nicht erfolgt, Verstoß gegen.
Art. 103 GG.
Darüber hinaus verhält sich das Landgericht mit keinem Wort über die
Erfolgsaussichten der Revisionen, Verstoß gegen Art. 103 GG, Art. 1, 2 und 3 GG
sowie Art. 6 Abs. 2 EMRK.
3. Auswirkungen von
Befassungs- und Bestrafungsverboten im Sinne von Verfahrens- bzw. Prozesshindernissen
Das Landgericht erwähnt die Revisionsschrift des Angeklagten
einschließlich seiner Ergänzungen mit keinem einzigen Wort, womit feststeht,
dass das Landgericht diese Revisionsschriften weder zur Kenntnis genommen hat
noch verwertet hat, Verstoß gegen Art. 103 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2
EMRK. Auf die Revisionsschrift einschließlich ihrer Ergänzungen wird in diesem
Zusammenhang in vollem Umfange Bezug genommen.
In jeder Lage des Verfahrens muss das jeweils zuständige Gericht von
Amtswegen die oben genannten Verfahrens- bzw. Prozesshindernisse beachten. Im
Rahmen des Revisionsverfahrens ist jedoch erforderlich, dass zumindest die
„Revisionsförmlichkeiten“ eingehalten wurden und eine zulässige Rüge, zumindest
die allgemeine Sachrüge erhoben wurde.
Ausweislich der Revisionsschrift und ihre Ergänzungen ist dies der
Fall. Die automatische Rechtsfolge ist die, dass das mit der Sache befasste
Gericht von Amtswegen Befassungs- und Bestrafungsverbote zu beachten hat.
Werden solche Befassungs- und Bestrafungsverbote mit der Revision geltend
gemacht und stirbt der Angeklagte, bevor über die Revision entschieden werden
konnte, besteht ein umfassender Anspruch auf Entscheidung über diese
Befassungsgebote bzw. Bestrafungsverbote. Der Tod des Angeklagten verhindert
nur eine rechtskräftige Schuldzuweisung an den Angeklagten, er verhindert
jedoch nicht den Freispruch des Angeklagten auch noch nach seinem Tod bzw. die
Einstellung des Verfahrens durch Prozessurteil nach §§ 354, 260 StPO.
Wenn sogar nach rechtskräftiger Schuldfeststellung und Tod noch ein
Freispruch des Angeklagten im Wiederaufnahmeverfahren erzielbar ist, muss dies erst
recht für den Fall gelten, dass ein rechtskräftiger Schuldspruch nicht ergangen
ist und nicht mehr möglich ist. Liegen die mit der Revision und ihren
Ergänzungen geltend gemachten Verfahrenshindernisse und Prozesshindernisse vor,
worüber das zuständige Gericht von Amtswegen zu entscheiden hat, ist die
Revision des Angeklagten, auch wenn er gestorben ist, begründet mit der Folge
des Freispruches oder der Einstellung wegen dieser Verbote.
Der Anspruch auf Freispruch bzw. Einstellung durch Prozessurteil entspricht
darüber hinaus der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 und ist gegenüber dem
Einstellungsbeschluss nach § 206 a StPO vorrangig.
Das Landgericht hat sich über den Anspruch des Angeklagten auf
Freispruch bzw. Einstellung des
Verfahrens durch Prozessurteil wegen der zahlreichen Befassungs- und
Bestrafungsverbote unter Verletzung des Art. 101 hinweggesetzt. Das Landgericht
musste die Sache dem BGH zur Entscheidung vorlegen. Dass im vorliegenden Fall
die mit der Revision und ihren Ergänzungen geltend gemachten Befassungs- und
Bestrafungsverbote bestanden haben, ist so offensichtlich und handgreiflich,
dass die Nichtberücksichtigung der Revisionsbegründung und ihre Ergänzungen
durch das Landgericht objektiv sachwillkürlich im Sinne der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts und damit ein Verstoß gegen Art. 3 GG ist.
Dass im vorliegenden Fall der Bundesgerichtshof entscheiden musste,
ergibt sich schlichtweg aus der Tatsache, dass der Tatrichter nach Abschluss
der Instanz durch Urteil daran gehindert ist, sein Urteil aufzuheben oder
abzuändern. Diese Befugnis hat nur das Rechtsmittelgericht.
In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass im vorliegenden Fall die
Revision ordnungsgemäß begründet worden ist und zwar in rechter Form und Frist
und somit die Voraussetzungen, die der BGH an eine Prüfung durch das
Revisionsgericht stellt, im Sinne der Entscheidung des BGH im 16. Band, Seite
115 ff. erfüllt sind.
4. Die Grundsätze der Entscheidung des BGH in BGHSt, Band 12, Seite
217 ff.
Vertritt man im vorliegenden
Fall die Auffassung, bei Tod des Betroffenen sei in jedem Falle durch
konstitutiven Beschluss nach § 206 a StPO die Einstellung des Verfahrens
anzuordnen, verstößt man nach diesseitiger Auffassung gegen die unter Ziffer 3
dargestellten Rechtsgrundsätze. Es ist offensichtlich, dass die Entscheidung
über die notwendigen Auslagen des Angeklagten als auch über die Entschädigung
für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen bei Vorliegen von Befassungs- und
Bestrafungsverboten immer zu Gunsten des Angeklagten ausgehen müssen, und zwar
ganz automatisch, nicht aber zu dessen Lasten ausgehen könnte, wie bei
Anwendung nur des § 206 a StPO unter Berücksichtigung des Ermessensspielraums
des zuständigen Gerichts denkbar oder möglich.
Der Weg über die §§
354, 260 StPO ist im vorliegenden Fall um so zwingender der richtige Weg,
der gesetzlich zwingend zu beschreiten
ist, weil die Befassungs- und Bestrafungsverbote im vorliegenden Fall bereits
vor Beginn des Ermittlungsverfahrens, vor Erhebung der Anklage, vor Eröffnung
und Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung und vor der Hauptverhandlung und
vor dem erstinstanzlichen Urteil bestanden. Die in der Revisionsbegründung und
deren Ergänzungen aufgeführten Befassungs- und Bestrafungsverbote, die sämtlich
offensichtlich durchgreifen, verboten es sämtlichen Ermittlungsbehörden der
Bundesrepublik Deutschland, in dieser Sache tätig zu werden, ja sie verboten
den Ermittlungsbehörden der Bundesrepublik Deutschland, auch nur einen
Haftbefehl gegen den Angeklagten zu erwirken und dessen Zwangsdeportation nach
Deutschland durch die USA zu ermöglichen.
Stellt man sich gleichwohl auf den Standpunkt, § 206 a StPO sei
anwendbar, ergibt sich die Frage nach dem zuständigen Gericht. Grundsätzlich
hat die Einlegung des Rechtsmittel der Revision nicht nur den Effekt, den
Eintritt der Rechtskraft zu verhindern, sondern darüber hinaus den Devolutiveffekt,
das heißt, das Verfahren wird aus der ersten Instanz in die
Rechtsmittelinstanz, hier die Revisionsinstanz, verbracht.
Betrachtet man jedoch die Rechtsprechung zu § 347 StPO, soll angeblich
bis zum Eingang der Verfahrensakten beim Revisionsgericht die Sache trotz des
Devolutiveffektes noch beim Tatrichter verblieben sein. Die Sache werde erst
mit Eingang der Akten beim Revisionsgericht dort anhängig. Verträte man diese
Auffassung, müsste das Landgericht, nicht aber der Bundesgerichtshof bei Tod
des Angeklagten und bei Nichtvorliegen von Bestrafungs- und Befassungsverboten
im konstitutiven Beschluss über die Einstellung des Verfahrens sowie die
Entscheidungen über die notwendigen Auslagen des Angeklagten und die
Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen treffen. Dem stehen jedoch
durchgreifende Bedenken entgegen. Die Zuständigkeit der Gerichte für Entscheidungen
in Strafsachen kann nicht abhängig gemacht werden von dem nicht steuerbaren und
nicht überprüfbaren „Eingang der Akten beim Revisionsgericht nach § 347 Abs. 1
Satz 1 StPO“. Hier ist dem Zufall Tür und Tor geöffnet, aber nicht nur dem
Zufall allein, sondern auch der Manipulation der Zuständigkeitsfrage. Ist bei
einem schwerkranken greisen Angeklagten dessen baldiger Tod zu erwarten, wie
dies beim Angeklagten dieses Verfahrens handgreiflich der Fall war, kann durch
Zurückhalten der Akten bzw. Nichtweiterleitung der Akten Einfluss genommen
werden auf die Zuständigkeitsfrage und die tatsächliche Zuständigkeit im Sinne
des Gesetzes. Das zuständige Gericht muss jedoch in jedem Fall und zu jeder
Zeit (Art. 101 GG) feststehen und kann nicht von steuerbaren bzw. manipulativen
Handlungen von Beteiligten abhängen. In diesem Zusammenhang wird darauf
hingewiesen, dass das Urteil des LG München am 27.10.2011 der Verteidigung
zugestellt wurde und die Verteidigung vor dem 27.11.2011 die
Revisionsbegründung eingereicht hat, die die Rüge der Verletzung von
Befassungs- und Bestrafungsverboten einschließlich von Verfahrensrüge enthielt,
darüber hinaus die allgemeine Sachrüge, die beispielhaft ausgeführt wurde.
§ 347 StPO ordnete an, dass unmittelbar nach Eingang der
Revisionsschrift, spätestens aber am 27.11.2011 die Revisionsbegründung der
Staatsanwaltschaft zuzustellen war und diese binnen einer Woche eine
schriftliche Gegenerklärung einreichen konnte. Geht man von dem Ablauf der
Revisionsbegründungsschrift am 27.11.2011 aus (die Revisionsbegründungsschrift
lag viel früher der Kammer vor), bestand für die Staatsanwaltschaft Gelegenheit
zur Gegenerklärung bis zum 3.12.2011. Am 4.12.2011 musste die
Staatsanwaltschaft die Akten an das Revisionsgericht zusenden, welche dort
spätestens am 7.12.2011 eintreffen mussten.
§ 347 StPO ist im Übrigen Ausdruck des Beschleunigungsgebotes in
Revisionssachen. Geht man von dem früheren Eingang der Revisionsbegründung des
Angeklagten aus, hätten die Wirkungen des § 347 StPO bereits vor Ende November
2011 eintreten müssen, die Sache somit vor Ende November beim Revisionsgericht
eintreffen müssen.
Aus der Tatsache, dass das Landgericht München den angegriffenen
Beschluss erlassen hat, ist zu entnehmen, dass die Akten bis heute nicht den
BGH erreicht haben. Dies wird durch die Auskunft der Staatsanwaltschaft München
I bestätigt.
Danach steht die Verletzung des § 347 Abs. 1 Satz 1 StPO durch das LG
München fest. Es heißt in dem Schreiben:
Die Revisionserklärung der Verteidigung ging
der Staatsanwaltschaft München I erst Anfang Februar 2012 im Rahmen der Vorlage
gem. § 347 Abs. 1 Satz 1 StPO zu.
Gleichwohl behauptet die Staatsanwaltschaft in der Schrift:
Mit einer zeitnahen Vorlage der
Akten gem. § 347 Abs. 2 kann daher gerechnet werden.
Danach hätten die Akten spätestens bis Ende Februar 2012 dem
Revisionsgericht vorgelegt werden müssen und vorliegen müssen, so dass das
Revisionsgericht in jedem Fall selbst in der Sache zu entscheiden hat.
Der Verstoß gegen § 347 StPO (=
gesetzliche Festschreibung des Beschleunigungsgebotes im Sinne der
Menschenwürde des Art. 1 GG und des Rehabilitationsanspruches im Sinne der Unschuldsvermutung
des Art. 6 Abs. 2 EMRK) bedingt, dass der Angeklagten so gestellt werden muss,
wie er stünde, wenn die Bestimmungen des § 347 StPO eingehalten worden wären.
Entscheidend aber ist, dass sich schwerwiegende und durchschlagende
grundsätzliche Bedenken gegen eine weitere Anhängigkeit der Sache beim
Landgericht mit Zuweisung der Entscheidungskompetenz des Landgericht bei Tod
des Angeklagten nach Erlass des Urteils ergeben.
Hierzu wird auf BGH im Urteil vom 16.6.1961, BGHSt 16, Seite 115 ff.
verwiesen.
Es heißt hier:
Kein Gericht kann seinen eigenen einmal
gefällten Urteilsspruch ändern, wenn es ihn nachträglich als fehlerhaft
erkennt. Nur ein zulässiges und wirksam angebrachtes Rechtsmittel verleiht dem
übergeordneten Gericht die Befugnis, ein angefochtenes Urteil zu überprüfen und
erforderlichenfalls in seinen Bestand einzugreifen. Diese verfahrensrechtlichen
Grundsätze gelten für alle Verfahrensarten. ... Sie werden auch nicht dadurch
außer Geltung gesetzt oder eingeschränkt, dass er in den § 319 und 346 StPO die
Befugnis zur Verwerfung unzulässiger Rechtsmittel teilweise den
Instanzgerichten übertrug, um die Rechtsmittelgerichte zu entlasten. Im
Gegenteil wird die Unverbrüchlichkeit dieser Grundsätze durch beide Regelungen
noch bestärkt und bestätigt. ... Die den Instanzgerichten verliehene, auf bestimmt
bezeichnete Fälle beschränkte Befugnis, unzulässige Rechtsmittel zu verwerfen
zeigt einmal an, dass sich die Befassung dieser Gerichte mit ihren eigenen
Urteilen auf die bloße Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittel beschränkt und
in dieser begrenzten Abwehrfunktion erschöpft.
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist offensichtlich, dass der
Tatrichter, wäre er das zuständige Gericht für den bei Tod des Angeklagten
erforderlichen Beschluss nach § 206 a StPO, verpflichtet ist, die
Erfolgsaussichten der Revision im Sinne der Entscheidung des BGH im Beschluss
vom 16.5.2002 gegen sein eigenes Urteil zu überprüfen, was der Tatrichter nicht
leisten kann und nicht leisten darf.
Der Tatrichter müsste, eben noch von der Schuld des Angeklagten
überzeugt, diesen nunmehr möglicherweise freisprechen bzw. das Verfahren durch
Prozessurteil einstellen und sein eigenes Urteil aufheben und für
gegenstandslos erklären.
Dass dem Tatrichter eine solche Entscheidung verboten ist, ist so
offensichtlich, dass die Unzuständigkeit des Landgerichts München zum Erlass
des angefochtenen Beschlusses offen auf der Hand liegt. Insbesondere der an dem
Beschluss beteiligte Richter am Landgericht Lenz als Berichterstatter im
Beschlussverfahren war überhaupt nicht in der Lage, sich von seiner Überzeugung
über die Schuld des Angeklagten, die er bei seiner Mitwirkung im Erstverfahren
gewonnen hatte, zu lösen, es war ihm darüber hinaus nicht einmal gestattet,
sondern von Gesetzeswegen verboten, sein eigenes Urteil auf dessen Richtigkeit
und seinen Bestand zu überprüfen.
Es kommt hinzu, dass das Landgericht nach Beendigung der Instanz durch
Urteil und unter Berücksichtigung des Devolutiveffektes nur solche
Zuständigkeiten wahrnehmen kann, die ausdrücklich im Gesetz ihm trotz
Einleitung des Rechtsmittelverfahrens durch die Revisionseinlegung zugewiesen
sind. Das Vorliegen und die Existenz einer entsprechenden Gesetzesnorm ist
zwingende Voraussetzung für die Bestimmung des gesetzlichen Richters Sinne des
Art. 101 GG. Dieser muss in jeder Lage des Verfahrens unzweifelhaft feststehen.
Soweit der BGH in seiner Entscheidung im 12. Band, Seite 218 ff. die
Auffassung vertritt, dass beim Rechtsmittelgericht eine Anhängigkeit des
Verfahrens in dem angegebenen Sinne erst begründet ist, wenn ihm nach
prozessordnungsgemäßer Vorbehandlung die
Akten zur Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel zugegangen
sind, kann dem nicht gefolgt werden.
Dass im vorliegenden Fall der nach Art. 6 Abs. 2 EMRK sowie nach Art.
1, 2, 3 GG gebotene Überprüfung der Revisionsaussichten sowohl hinsichtlich der
aufgeführten Prozesshindernisse als auch hinsichtlich der Verfahrensfehler, die
dem Landgericht unterlaufen sind, schließlich auch wegen der erhobenen
allgemeinen Sachrüge, die beispielhaft aufgeführt worden ist, Aussicht auf
Erfolg gehabt hätte, liegt auf der Hand und drängt sich geradezu auf.
Die Revision war offensichtlich und handgreiflich begründet.
Die Staatsanwaltschaft nahm unter
dem 18.4.2012 Stellung und erklärte, dass die erhobene sofortige Beschwerde
zulässig sei unter Hinweis auf Meyer-Gossner, § 464 StPO, Rd-Nr. 22.
Sie sei jedoch unbegründet. Zur Begründung führte die
Staatsanwaltschaft aus:
I.
1.) Nachdem der Angeklagte am 17.3.2012 verstorben ist (vgl. Bl. 14715
d.A.) hat die 1. Strafkammer des Landgerichts München II mit Beschluss vom
5.4.2012 (Bl. 14734/14736 d.A.) das Verfahren in entsprechender Anwendung des §
206 a Abs. 1 StPO eingestellt und gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon
abgesehen, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse
aufzuerlegen.
2.) Die Verteidigung hatte zuvor in den Schriftsätzen vom 19.3.2012
(Bl. 14730 d.A.) bzw. 23.3.2012 (Bl. 14721 d.A.) beantragt, auch die
notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen. Die
Staatsanwaltschaft München I beantragte demgegenüber mit Verfügung vom
30.3.2012 (Bl. 14731 d.A.) die nun getroffene Kostenentscheidung.
3.) Mit Schriftsatz vom 12.4.2012 (Bl. 14737 d.A. = Bl. 14747/14748
d.A.), welche irrtümlich auf den 26.3.2012 datiert (vgl. Schriftsatz vom
16.4.2012 – Bl. 14739), erhob der Verteidiger RA Dr. Busch sofortige
Beschwerde.
In dieser wird zunächst der Umstand gerügt, dass die
Verfahrenseinstellung durch das Hauptsachegericht und nicht den
Bundesgerichtshof ergangen ist. Darüber hinaus bemängelt die Verteidigung
primär die ergangene Kostenentscheidung auf Grundlage des § 467 Abs. 3 Satz 2
Nr. 2 StPO. Letztlich wird auch bemängelt, dass ein Ausspruch über die
Entschädigung nach dem StrEG unterblieben ist.
4.) Der Vorsitzende der 1. Strafkammer hat die Akten mit Verfügung vom
13.4.2012 zum Zwecke der Vorlage der Akten an das Oberlandgericht München
zugeleitet (Bl. 14738 d.A.).
5.) Mit Schriftsatz vom 16.4.2012 (Bl. 14739/14746 d.A.) stellte der
Verteidiger in Ergänzung des Beschwerdeschriftsatzes zunächst die falsche
Datierung des Beschwerdeschriftsatzes richtig und übersandte einen neuen
Beschwerdeschriftsatz mit richtigem Datum (= 12.4.2012 – vgl. Bl. 14747/14748
d.A.). Darüber hinaus begehrt der Verteidiger,
der nun auch auf die Erben des Angeklagten lautende Vollmachten einreichte
(vgl. Bl. 14749/14751 d.A.), erneut die Sache dem Bundesgerichtshof zur
Entscheidung vorzulegen, mit dem Ziel (in den Hilfsanträgen), die Aufhebung des
Urteils des Landgerichts München II vom
12.5.2011 zu erreichen.
II.
Die vom Verteidiger nach Ableben des Angeklagten Demjanjuk erhobene
sofortige Beschwerde erweist sich zwar als zulässig, (vgl. Meyer-Goßner § 464
StPO Rd-Nr. 22), jedoch als unbegründet.
1.) Zur angeblichen Unzuständigkeit des Landgerichts:
a) Das Verfahren war
gemäß § 206 a Abs. 1 StPO durch das Landgericht München II einzustellen, da der
Angeklagte vor rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens verstorben ist
(vgl. BGH NStZ-RR 2010, 32, BGHSt 45, 108). Das angefochtene Urteil ist mit
diesem Beschluss gegenstandslos, ohne dass es einer Aufhebung bedarf (vgl. BGH
NStZ-RR 2010, 32; BGHR StPO § 467 Abs. 3 Verfahrenshindernis 2).
b.) Da sich die Akten nach Fertigung des Revisionsvorlageberichtes
(vgl. Bl. 14698ff. d.A.) zum Zeitpunkt des Ablebens des Angeklagten (vgl. B.
14715 d.A.) – aufgrund der auch durch die
Staatsanwaltschaft München erhobenen Revision – noch bei der
Generalstaatsanwaltschaft München befanden (vgl. Aktenübersendungsschreiben vom
19.3.2012 – Bl. 14716 d.A.), war das Verfahren noch nicht beim
Bundesgerichtshof anhängig. Denn erst mit dem Eingang der Akten (nach § 347
Abs. 2 StPO) bei diesem wird die Sache beim Revisionsgericht anhängig (vgl.
BGHSt 38, 307 (308); BGH NJW 1999, 2380).
c.) Nachdem sich die Zuständigkeit der gerichtlichen Entscheidung –
auch hinsichtlich einer Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses gemäß §
206 a StPO (bzw. § 206 a StPO analog) – nach der Anhängigkeit des Verfahrens
richtet (vgl. Meyer-Goßner § 347 StPO Rd-Nr. 8; Kuckein in Karlsruher Kommentar
zur StPO – 6. Auflage § 347 StPO Rd-Nr. 11 – jeweils m.w.N.), war – auch wenn
bereits die Revision durch den Angeklagten zum Zeitpunkt des Ablebens erhoben
war – entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sehr wohl die Strafkammer
als Hauptsachegericht zur Entscheidung über die Verfahrenseinstellung berufen.
Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass dies auch der
Grund dafür ist, dass der Antrag der Verteidigung vom 19.3.2012 seitens des 2.
Strafsenates des Bundesgerichtshofes mit Schreiben vom 30.3.2012 dem
Landgericht München II zuständigkeitshalber übersandt wurde (vgl. Bl. 14729
d.A.).
d.) Aus diesem Grunde sind auch die im die sofortige Beschwerde
ergänzenden Schriftsatz vom 16.4.2012 gestellten Anträge unbegründet.
Eine Entscheidungsbefugnis des Revisionsgerichts ist – nachdem das
Verfahren dort nicht anhängig gemacht wurde (siehe oben) – nicht gegeben. Das
Gesetz sieht eine Fortsetzung des Strafverfahrens nach dem Ableben des
Angeklagten nicht vor, so dass die von der Verteidigung begehrten
Feststellungen im Strafverfahren nicht getroffen werden können.
2. Zur
angefochtenen Kostenentscheidung:
Auch insoweit erweist sich die sofortige Beschwerde als unbegründet.
Die Anwendung des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO begegnet hier keinen Bedenken
und erweist sich insbesondere nicht als ermessensfehlerhaft.
a.) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2
StPO sind nämlich bereits dann erfüllt, wenn bei dem bei Feststellung des
Verfahrenshindernisses gegebenen Verfahrensstand ein zumindest hinreichender
Tatverdacht besteht und keine Umstände erkennbar sind, die bei Durchführung der
Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungsgemäßen
Feststellung der Tatschuld in Frage stellt (vgl. BGH NJW 2000, 1427-1429; OLG
Hamm NStZ-RR 2010, 224; OLG Hamm NStZ-RR 2001, 126-127, OLG Frankfurt / Main
NStZ-RR 2002, 246-247).
b.) Damit setzt die Ermessensentscheidung zwingend eine
Verdachtsprüfung voraus. Hier ist bereits ein erstinstanzliches Urteil mit
Schuldspruch ergangen, so dass die Frage der „Verdachtsprüfung“ hier nicht weiter
dargelegt werden muss.
c.) Eine weitergehende Prüfung des Revisionsvorbringens der
Verteidigung durch das Erstgericht ist hingegen im Rahmen der
Prognoseentscheidung des § 467 Abs. 3 Satz 2 StPO nicht veranlasst. Nur dann,
wenn das Revisionsgericht bereits mit der Sache (aufgrund der Anhängigkeit)
befasst ist, ist es sachgerecht, den Prüfungsmaßstab des Revisionsgerichts
anzulegen, nämlich ob das Rechtsmittel gewisse Erfolgsaussichten gehabt hätte
(vgl. BGH NStZ-RR 2010, 32) bzw. ob die Verurteilung bei Hinwegdenken des
Verfahrenshindernisses „sicher erscheint“ (vgl. insoweit Meyer-Goßner § 467
StPO Rd-Nr. 16 a.E.).
Daher ist die Entscheidung über die Kostentragung gemäß § 467 Abs. 2
Satz 2 Nr. 2 StPO nicht zu beanstanden.
3. Zur unterbliebenen Entscheidung über StrEG:
Zutreffend weist der Beschwerdeführer jedoch darauf hin, dass über den
im Schriftsatz vom 26.3.2012 (Bl. 14725 d.A.) enthaltenen Antrag auf Gewährung
von StrEG in dem angefochtenen Beschluss nicht entschieden wurde.
a.) Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StrEG hatte die Strafkammer über die Verpflichtung zur Entschädigung in
dem das Verfahren abschließenden Beschluss (hier der Beschluss gemäß § 206
a StPO) zu entscheiden. Denn auch der
Einstellungsbeschluss gemäß § 206 a StPO aufgrund des Todes des Angeklagten
beendet das Verfahren grundsätzlich als ganzes (vgl. Meyer – StrEG, 7. Auflage,
Rd-Nr. 13). Das in § 8 Abs. 1 Satz 2
StPO vorgesehene besondere Beschlussverfahren kann hier nicht zur Anwendung
kommen. Dies wäre nämlich nur dann möglich, wenn die Entscheidung nicht in der
Hauptverhandlung oder der das Verfahren abschließenden Entscheidung hätte getroffen
werden können. Es ist nicht ersichtlich, warum die Entscheidung über StrEG
nicht im Beschluss des 5.4.2012 hätte ergehen können. Aus diesem Grunde ist der
strengen Ansicht zu folgen, wonach das gesonderte Beschlussverfahren auf
absolute Ausnahmefälle beschränkt sein muss (vgl. Meyer – StrEG – 7. Auflage §
8 Rd-Nr. 18 – 20) und die versehentlich unterlassene Entscheidung grundsätzlich
nicht nachholbar, sondern nur mit der sofortigen Beschwerde angreifbar ist
(vgl. OLG München vom 3.12.1996, GZ. 2 Ws 536/96; KG Berlin vom 10.3.2009 – AZ:
2 Ws 9/08 – beides zitiert nach juris.de; LG München I vom 7.2.2012, AZ: 21 Qs
9/12).
b.) Letztlich ist die hierauf bezogene Beschwerde jedoch unbegründet,
da ein Versagungsgrund gegeben ist.
Eine Entschädigung für die durchgeführten Strafverfolgungsmaßnahmen
(insbesondere Untersuchungshaft) ist vorliegend gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG zu
versagen. Das hiesige Verfahren gegen
den Angeklagten Demjanjuk, gegen den bereits ein erstinstanzliches Urteil
ergangen war, wurde nur deshalb eingestellt, weil durch sein Ableben ein
Verfahrenshindernis eingetreten ist. Gerade weil nach einer sehr umfangreichen
Beweisaufnahme ein Schuldspruch ergangen ist und der Angeklagte sich über seine
Verteidigung in der sich über mehrere Monate hinziehenden Hauptverhandlung
hinreichend Gehör verschaffen konnte, steht vorliegend die Anwendung des § 6
Abs. 1 Nr. 2 StrEG auch nicht in einem Konflikt mit Art. 6 EMRK ( vgl. hierzu
auch Meyer a.a.O. § 6 Rd-Nr. 32).
Soweit im Rahmen der sofortigen
Beschwerde und der Beantwortung der sofortigen Beschwerde durch die
Staatsanwaltschaft die Frage der Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes
problematisiert wurde, ist diese Problematik, wie oben dargestellt, Gegenstand
der Verfassungsbeschwerde – 2 BvR 1933/12 – gewesen. Im Rahmen dieser
Verfassungsbeschwerde wird darauf verwiesen und die Argumentation hier nicht
noch einmal vertieft. Spätestens der Europäische Gerichtshof wird im Rahmen der
Rüge der Verletzung des fairen Verfahrens die Frage im Sinne der Verfassungsbeschwerdeführer
entscheiden und den BGH bezüglich der verfahrensbeendenden Entscheidungen für
zuständig erklären. Der Entzug des gesetzlichen Richters ist zugleich ein
Verstoß gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens.
Mit Beschluss vom 4.10.2012 hat
das Oberlandesgericht München – 4 Ws 169/12 K – wie folgt entschieden:
Der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts München hat am 4. Oktober 2012
in dem Strafverfahren gegen John Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord
hier: sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts Dr. Ulrich Busch namens
des früheren Angeklagten und namens dessen Erben Vera Demjanjuk und John Demjanjuk jun. gegen
den Beschluss des Landgerichts München II vom 5.4.2012
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts Dr. Ulrich Busch namens des
früheren Angeklagten, namens dessen Witwe Vera Demjanjuk und dessen Sohn John
Demjanjuk jun., gegen den Beschluss des Landgerichts München II vom 5.4.2012
wird als zulässig verworfen.
Gründe:
I.
Das Landgericht München II verurteilte den verstorbenen Angeklagten am
12.5.2011 wegen 16-facher Beihilfe zum Mord an insgesamt mindestens 28060
Menschen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren. Über dies sowohl von
der Staatsanwaltschaft München I als auch vom Angeklagten eingelegte Revision
entschied der Bundesgerichtshof nicht mehr, weil der Angeklagten nach
Begründung der Revisionsanträge, aber noch vor Vorlage der Sache an den Senat
am 17.3.2012 verstorben ist.
Das Landgericht München II entschied deshalb mit einem auf §§ 206 a,
467 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO gestützten Beschluss vom 5.4.2012:
I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Es wird davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des angeklagten
der Staatskasse aufzuerlegen.
Eine Entscheidung nach dem StrEG ist unterblieben.
Gegen diesen Beschluss legte der Verteidiger des verstorbenen
Angeklagten mit Schriftsatz vom 12.4.2012 sofortige Beschwerde ein und
beantragte, diesen Beschluss aufzuheben und die Sache dem Bundesgerichtshof
vorzulegen. Zur Begründung führte er an,
dass der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig sei, es darüber hinaus an
einer Entscheidung über eine Entschädigung des Angeklagten für erlittene
Polizei- und Untersuchungshaft fehle und die Entscheidung über die Auslagen in
Verkennung der Bedeutung der Unschuldsvermutung gegen Art. 6 EMRK verstoße.
Das Landgericht München II leitete die Beschwerde am 13.4.2012 an die
Staatsanwaltschaft München I zur Vorlage der Beschwerde.
Mit Beschluss vom 10.7.2012 (1 StR 293/12) entschied der 1. Strafsenat
des Bundesgerichtshofes:
Der Antrag auf Entscheidung des Senats über die Einstellung des
Verfahrens wird zurückgewiesen.
Zur Begründung führte der Senat aus, dass für den
verfahrensabschließenden Beschluss nach § 206 a StPO das Gericht zuständig sei,
bei dem die Sache anhängig ist. Das Tatgericht, vorliegend also das
Landgericht, sei auch dann noch zuständiges Gericht, wenn zum Zeitpunkt des
Todes des Angeklagten zwar das Urteil schon ergangen, die Sache aber noch nicht
beim Revisionsgericht anhängig geworden sei. Dies sei erst dann der Fall, wenn
sie ihm gemäß § 347 Abs. 2 StPO zur Entscheidung über eine Revision vorgelegt
worden ist, Nur darauf, nicht aber auf die Begründung der Revision oder andere
hypothetische Überlegungen komme es an. Eine Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes
anstelle des Landgerichts sei nicht gegeben.
Mit Vorlageschreiben vom 11.9.2012, auf das hinsichtlich seiner
Einzelheiten Bezug genommen wird, beantragte der Generalstaatsanwalt in
München, die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts Dr. Busch gegen den
Beschluss des Landgerichts München II vom 5.4.2012 als unbegründet kostenfällig
zu verwerfen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
De Zuständigkeit des Oberlandesgerichts ergibt sich aus § 121 Abs. 1
Nr. 2 GVG als Beschwerdegericht für Entscheidungen des Landgerichts.
III.
Die von Rechtsanwalt Dr. Ulrich Busch namens des vormaligen, zwischenzeitlich
verstorbenen Angeklagten, dessen Witwe Vera Demjanjuk und dessen Sohn John
Demjanjuk jun. eingelegte sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des
Landgerichts München II vom 5.4.2012 ist mangels Beschwerdebefugnis unzulässig.
1.) Gemäß §§ 304 ff. StPO ist grundsätzlich nur derjenige
beschwerdebefugt, der durch eine Entscheidung
oder Maßnahme in eigenen Rechten verletzt ist. Eine solche Betroffenheit
ergibt sich für den (ehemaligen) Verteidiger des Angeklagten, dessen Vollmacht
(hier Bestellung) zur Einlegung von Rechtsmitteln mit dem Tod des Angeklagten erloschen ist
(Meyer-Goßner StPO, 54 Aufl. § 297Rd-Nr. 6), nicht.
2. Die Beschwerdebefugnis ergibt sich darüber hinaus auch nicht aus der
Bevollmächtigung des Verteidigers durch
die Witwe Vera Demjanjuk und den Sohn John Demjanjuk jun.
Der Senat folgt weiterhin in ständiger Rechtsprechung (zuletzt OLG
München Beschlüsse vom 26.1.2011, GZ: 4 Ws 123/11 und vom 16.6.2009, GZ: 4 Ws
045/09) der vom Oberlandesgericht München bereits mit Beschluss vom 5.11.2002
(2 Ws 672/02 zitiert nach juris) umfassend begründeten Ansicht, wonach die
prozessrechtliche Stellung des Angeklagten im Strafprozess höchstpersönlich ist
und deshalb nicht auf andere übertragen, insbesondere auch nicht vererbt werden kann (OLG München
aaO Rd-Nr. 8, ebenso HansOLG, Beschluss vom 8.9.2003 – 2 Ws 217/03, zitiert
nach juris; Lüderssen in LR-StPO 25, Aufl. § 138 Rn. 18; ähnlich BayObLG 1962,
226; aA Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. § 464 Rdn 22 m.w.N.). Dem Verteidiger des
vormaligen, zwischenzeitlich verstorbenen Angeklagten fehlt es somit in jedem
Fall, das heißt unabhängig davon, ob er die Beschwerde in eigenem Namen, im
Namen des Angeklagten oder im Namen von dessen Erben eingelegt hat (OLG München aaO Rdn. 8 und 9), an der Beschwerdebefugnis.
Das Oberlandesgericht München führte mit Beschluss vom 5.11.2011 in
dem gleichgelagerten Fall zur Begründung
näher aus (aaO Rdnr. 5):
„Im vorliegenden Fall, in dem der Einstellungsbeschluss in Folge des
Todes des früher Angeklagten ergangen ist, fehlt aber die erforderliche
Beschwerdebefugnis. Dabei kann dahinstehen, ob die sofortige Beschwerde namens
der Ehefrau und Erbin des verstorbenen Angeklagten eingelegt wurde, (...), oder
ob sie weiterhin namens des Verstorbenen
selbst auf der Grundlage einer angenommenen Fortwirkung der zu
Lebzeiten erteilten Prozessvollmacht
eingelegt worden ist. Durch die Ablehnung der Auslagenerstattung nach § 467
Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO beschwert und damit beschwerdebefugt könnte allenfalls
der Angeklagte selbst sein. Denn die Regelungen nach § 467 Abs. 2, Abs. 3 StPO
knüpfen ausdrücklich an die prozessrechtliche Stellung als Angeschuldigter (bzw. Angeklagter) an. Diese
prozessrechtliche Stellung des früheren Angeklagten ist jedoch mit dessen Tod
entfallen. In dessen Namen können seither keine Prozesshandlungen mehr vorgenommen
werden, insbesondere keine Rechtsmittel eingelegt werden, da der Angeklagte als
Prozeßsubjekt und träger der den Prozesshandlungen zugrundeliegenden Rechte
nicht mehr existiert. Mit dem Tod des Angeklagten hat auch die von ihm zu
Lebzeiten erteilte Prozessvollmacht geendet. Mit dem Tod des Angeklagten hat
somit der für ihn bis dahin als Verteidiger handelnde Rechtsanwalt die Befugnis
verloren, für seinen früheren Mandanten Prozesshandlungen vorzunehmen.
3.) Ergänzend merkt der Senat an, dass die Entscheidung des
Landgerichts Art. 6 Abs. 2 EMRK nicht verletzt.
Der Europäische Gerichtshof hat in dem vom Beschwerdeführer selbst
zitierten Urteil vom 25.8.1987 (10300/83; zitiert nach juris) festgestellt:
„Weder Art. 6 Abs. 2 EMRK noch irgendeine andere Bestimmung der
Konvention verleiht der wegen einer Straftat angeklagten Person ein Recht auf
Erstattung ihrer Kosten oder Entschädigung für erlittene Untersuchungshaft,
wenn das Verfahren gegen sie eingestellt wird. Der Beschluss, die notwendigen
Auslagen des Beschwerdeführers nicht zu erstatten und ihm keine Entschädigung
für die erlittene Untersuchungshaft zu gewähren, verstößt daher nicht gegen
Art. 6 Abs. 2 EMRK, wenn die Entscheidung nicht die Feststellung einer Schuld,
sondern lediglich die Feststellung einer fortbestehenden Verdachtslage
enthält.“
Der Beschluss des Landgerichts stellt keineswegs die Schuld des
Angeklagten fest, sondern macht ausdrücklich deutlich, dass die Ermessensentscheidung
nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO „ohne abschließende Schuldzuweisung“ (Seite 2
vorletzter Absatz des Beschlusses) erfolgt.
4.) Schließlich merkt der Senat noch an, dass die vom Landgericht in
erster Instanz getroffene Schuldfeststellung die Annahme eines zum Zeitpunkt
der Verfahrenseinstellung fortbestehenden Tatverdachts (vgl. Meyer-Goßner aaO §
467 Rn. 16) und die darauf gestützte Anwendung von § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2
StPO zulässt, ohne dass dies von Rechts wegen zu beanstanden wäre. Die Berechtigung
zur Einstellung des Verfahrens ergab sich für das Landgericht aus § 206 a StPO,
denn der nach Eröffnung des Hauptverfahrens eingetretene Tod des Angeklagten
stellt ein Verfahrenshindernis im Sinne von § 206 a StPO dar.
Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 465 Abs. 3 StPO nicht
veranlasst (vgl. OLG München aaO,
zitiert nach juris Rdn. 13).
Dr. Dauster Beckers Dr.
Koch
Vorsitzender Richter Richterin
am Richter
am
am Oberlandesgericht Oberlandesgericht Oberlandesgericht
Der Generalstaatsanwalt hatte
unter dem 11.9.2012 unter Bezugnahme auf das Schreiben der Staatsanwaltschaft
München vom 18.4.2012 die Entscheidung des Oberlandesgerichts beantragt.
In der Zuschrift hatte er
ergänzend folgendes bemerkt:
Mit Verfügung vom
27.4.2012 wurde Rechtsanwalt Dr. Busch antragsgemäß über die Generalstaatsanwaltschaft
München Akteneinsicht in die Strafakten der Staatsanwaltschaft München I (Bde.
XXXI – XXXVII= gewährt (Bl. 14870, Bd. XXXVII).
Die Akten wurden durch Rechtsanwalt Dr. Busch eigenmächtig an den
Vorsitzenden des 1. Strafsenat beim BGH mit Schriftsatz vom 22.5.2012
zugeleitet (Bl. 14871/14956, Bd. XXXVII).
Mit Verfügung vom 25.5.2012 leitete der Generalbundesanwalt beim BGH
den Antrag des Verteidigers des verstorbenen Angeklagten sowie 7 Bände Akten
der Staatsanwaltschaft München I (AZ: 115 Js 124496/08) an den Vorsitzenden des
1. Strafsenats weiter und beantragte, den Antrag des Verteidigers, Rechtsanwalt
Dr. Busch, vom 22.5.2012 zurückzuweisen (Bl. 15040, Bd. XXXVII).
Mit Beschluss des BGH, 1. Strafsenat, vom 10.7.2012 (AZ: 1 StR 293/12)
wurde der Antrag auf Entscheidung des Senats über die Einstellung des
Verfahrens zurückgewiesen (Bl. 15166/15168, Bd. XXXVII).
Anschließend wurden die Akten an die Generalstaatsanwaltschaft München
zurückgeleitet.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig gemäß § 464 Abs. 3 i.V.m. § 311
Abs. 2 StPO.
In der Sache ist ihr jedoch der Erfolg zu versagen. auf die
zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung sowie auf die umfassenden
und zutreffenden Ausführungen der Staatsanwaltschaft München I im Schreiben vom
18.4.2012 (Bl. 14755/14759, Bd. XXXVII) wird insoweit Bezug genommen.
Ergänzend ist anzuführen, dass infolge der Entscheidung des BGH vom
10.7.2012 feststeht, dass entgegen der Ansicht des Verteidigers, Rechtsanwalt
Dr. Busch, das Oberlandesgericht zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde
des Rechtsanwalts Dr. Busch zuständig ist.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 464, 473 StPO.
Ich
b e a n t r a g e
daher, die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalt Dr. Busch gegen den
Beschluss des Landgerichts München I, 1. Strafkammer, vom 5.4.2012 als
unbegründet kostenpflichtig zu verwerfen.
Grape
Oberstaatsanwältin
An der Entscheidung des
Oberlandesgerichts sticht dessen offensichtliche Verfassungswidrigkeit und
dessen Sachwillkürlichkeit jedem Rechtskundigen sofort ins Auge. Die sofortige
Beschwerde des Verteidigers mit der Begründung für unzulässig zu erklären, dass
der Verteidiger keine Rechtsmittel mehr einlegen dürfe, wie sich aus § 297 StPO
und die im Beschluss genannte Kommentierung dazu ergebe, ist unter keinem
rechtlichen Gesichtspunkt mehr als vertretbare Rechtsauffassung zu werten. Die
in § 297 genannten Rechtsmittel dienen, wie dem Gesetz unschwer zu entnehmen
ist, der Weiterführung eines Verfahrens, während es hier, wie seit der Entscheidung
des BGH im 45. Band auch den Richtern des Oberlandesgerichts bestens bekannt,
um die Beendigung des Verfahrens und die damit verbundene
Beendigungsentscheidungen geht.
Das eine hat mit dem anderen
schlechterdings nichts zu tun. Dass der Verteidiger - ob als Wahlverteidiger
oder als Pflichtverteidiger - ist gleichgültig, an den zur Beendigung des
Verfahrens vom Gesetzgeber vorgesehenen Entscheidungen mitwirken darf und mitwirken
muss, ist so offensichtlich und handgreiflich, dass die entgegengesetzte
Entscheidung des OLG einen Grad der Sachwillkür erreicht, der das noch
Erträgliche unerträglich übersteigt. Gesteigert wird dies nur noch durch die
Behauptung des OLG, der Anspruch des verstorbenen Angeklagten auf Erstattung
seiner notwendigen Auslagen und der Anspruch auf Entschädigung für erlittene
Polizei- und Untersuchungshaft seien so höchst persönlich, dass der Angeklagte
sie mit ins Grab nehmen müsse. Seit der Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofes in Sachen Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik und der dieser
zugrundeliegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sowie aufgrund all
der Entscheidungen, in denen das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofes in Sachen Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik Deutschland übernommen
bzw. in seine Rechtsprechung eingebaut
hat, ist die Verletzteneigenschaft der Witwe und des Sohnes des Angeklagten im
Sinne des Art. 25 EMRK sowie die Aktivlegitimation dieser Personen nach Art. 1,
Art. 2, Art. 6 und Art. 20 GG schlechterdings unstreitig.
Es ist hier nicht bekannt, dass
nach der Entscheidung des BGH im 45. Band noch jemals eine Entscheidung eines
deutschen Gerichts ergangen ist, die die Auffassung des OLG München in der
jetzt angegriffenen Entscheidung teilt oder auch nur als erwähnenswert oder
bedenkenswert bezeichnet.
Die Entscheidung des OLG München
hat unter diesen Umständen objektiv nur ein Ziel:
Verteidigung und Angehörige des
verstorbenen Angeklagten werden nicht mehr zugelassen, ihnen wird der Weg zu
den Gerichten versperrt. Dies bedeutet aus der Sicht der Witwe und des Sohnes:
Die Vertuschung des juristischen Skandals dieses Prozess.
In gleicher Weise sticht die
verfassungswidrige Vorgehensweise des OLG München ins Auge, die dahin besteht,
nicht nur die Verfahrensbeteiligten anzuschließen, sondern generell die nach
dem Gesetz vorgeschriebene Entscheidung nach § 6 StrEG zu unterlassen bzw. über
die Unterlassung der Entscheidung nach § 6 StrEG auch überhaupt nur ein Wort zu
verlieren.
Dabei kann in diesem Zusammenhang
dahin gestellt bleiben, ob den Verfahrensbeteiligten ein subjektives Recht auf
Einholung der Entscheidung nach § 6 zusteht oder nicht.
Die Entscheidung musste vom Landgericht
nach den gesetzlichen Vorschriften zwingend getroffen werden, wie aus den
Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft
hervorgeht. Das OLG musste daher schon von Amtswegen entweder die Entscheidung
nachholen oder aber das LG zur Nachholung der Entscheidung nach § 6 StrEG
anweisen.
Ausweislich der gesetzlichen
Bestimmungen bestand sowohl für die Richter des Landgerichts als auch für die
Richter des Oberlandesgerichts ein klarer, von ihnen nach der Verfassung zu
befolgender Gesetzesbefehl auf Entscheidung nach § 6 StrEG.
Die Weigerung, dies zu tun, ist
ein offener Bruch des Gesetz.
Aus der Sicht der
Beschwerdeführer kann auch dies objektiv nur dazu dienen, die Akten so schnell
wie möglich endgültig zuzumachen und den juristischen Skandal um John Demjanjuk
zu vertuschen.
Schließlich sticht massiv ins
Auge, dass das OLG unter Ziffer 3 seines Beschlusses betont, dass der
Europäische Gerichtshof darauf hinweist, dass weder Art. 6 Abs. 2 noch
irgendeine andere Bestimmung der Konvention der wegen einer Straftat
angeklagten Person ein Recht auf Erstattung ihrer Kosten oder Entschädigung für
erlittene Untersuchungshaft verleiht, wenn das Verfahren gegen sie eingestellt
wird. Das OLG hätte in diesem Zusammenhang ausdrücklich klarstellen müssen,
dass das deutsche Recht insoweit weit über die Mindestrechte des Europäischen
Konvention zum Schutze der Menschenrechte hinaus geht und den grundsätzlich
bindenden Gesetzesbefehl enthält, dass bei Einstellung von Strafverfahren die
notwendigen Auslagen des wegen einer strafbaren Handlung Angeklagten der
Staatskasse aufzuerlegen sind und eine Entschädigung für erlittene
Untersuchungshaft zu leisten ist, vgl. § 467 Abs. 1 StPO, § 2 StrEG.
Das OLG hätte auch betonen
müssen, dass es hier um Ausnahmen von diesem Gesetzesbefehl im Sinne der §§ 467
Abs. 3 StPO und 6 Abs. 2 StrEG geht, die angesichts des Gesetzesbefehls restriktiv
anzuwenden sind, wobei ausweislich Ziffer 38 der Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofes in Sachen Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik Deutschland zu
berücksichtigen sind:
- Der Verfahrensstand bei der
Einstellung
- Das Verhalten des Angeklagten
- Die Schwere des Tatverdachtes,
der noch gegen ihn besteht.
Geradezu eklatant sticht die
Verfassungswidrigkeit des Beschlusses deshalb ins Auge, weil das OLG unter
Ziffer 4 seines Beschlusses sich ausdrücklich für berechtigt erklärt, das
gesamte Revisionsvorbringen des Angeklagten von vorne herein auszuschließen, die in erster Instanz getroffene
Schuldfeststellung allein und ausschließlich für die zu treffende Entscheidung
zugrunde zu legen und die Schuldfeststellung ohne jede Prüfung ihrer
Berechtigung in einem zum Zeitpunkt der Verfahrenseinstellung fortbestehenden
Tatverdacht umzuwandeln, der die Durchbrechung des Gesetzesbefehl des § 467
Abs. 1 StPO sowie des § 2 StrEG ohne Weiteres zulässt.
Das OLG unterschlägt objektiv in
diesem Zusammenhang die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem
Beschluss in Sachen Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik vom 30.9.1982. Die
Entscheidungsgründe lauten wie folgt:
1.) Die im Rechtsstaatsprinzip begründete Unschuldsvermutung schließt
es aus, einen nicht rechtskräftig Verurteilten als schuldig zu behandeln. Sie
gebietet hingegen nicht, die Erstattung von Auslagen stets anzuordnen, wenn das
Verfahren ohne Schuldnachweis endet.
2.) Die Ablehnung der Anträge, die notwendigen Auslagen des
verstorbenen Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen, begründet sich aus § 467
Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO, die Entscheidung über das Entschädigungsbegehren aus
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG. Beide Vorschriften, gegen die verfassungsrechtliche
Bedenken nicht bestehen, gewähren dem Gericht einen Ermessensspielraum.
Anhaltspunkte dafür, dass die Gerichte von diesem Ermessen in
verfassungswidriger Weise Gebrauch gemacht hätten, liegen nicht vor.
a.) Zwar haben die angegriffenen Entscheidungen eine Prognose darüber
angestellt, zu welchem Ergebnis die Fortführung des Verfahrens mutmaßlich
geführt hätte. Eine derartige Einschätzung enthält indessen nicht die Feststellung
eine Schuld, sondern lediglich die Feststellung einer fortbestehenden
Verdachtslage. Sie verstößt infolgedessen nicht gegen die Unschuldsvermutung.
b.) Die Prognose des Verfahrensausgangs lässt auch Willkür nicht
erkennen.
aa.) Weder die ... beanstandeten Mängel des Strafurteils noch der
Inhalt der Revisionsrechtfertigung lassen die Annahme schlechthin unvertretbar
erscheinen, dass die angegriffenen Entscheidungen bei jeder der selbständigen
prozessualen Taten, in denen eine Verurteilung des verstorbenen Angeklagten
erfolgt ist, einen späteren Freispruch für unwahrscheinlich gehalten haben. Nur
darauf kam es für die Kostenentscheidung an. Der Hinweis der Gerichte auf die
Erfolglosigkeit der Revision des Mitangeklagten M. und die Revisionsrücknahme
der übrigen Mitangeklagten ist ersichtlich nur als unterstützendes Argument zu
begreifen, auf denen die angegriffenen Beschlüsse nicht beruhen.
bb.) Auch die Begründung der Verfassungsbeschwerde vermag nicht
aufzuzeigen, dass die Auffassung des LG bei Fortführung des Verfahrens sei eher eine Verurteilung als ein Freispruch
zu erwarten gewesen, nicht mehr verständlich ist.
Es ist somit das
Bundesverfassungsgericht selbst, welches in der Entscheidung Nölkenbockhoff
gegen Bundesrepublik, in der der Tod des Angeklagten Nölkenbockhoff im gleichen
Verfahrensstadium wie der Tod des Angeklagten Demjanjuk eingetreten ist,
nämlich nach Erlass des Urteils des LG Essen am 11.7.1980, nach
Revisionseinlegung und Revisionsbegründung am 19.10.1981, nachdem die schriftlichen
Urteilsgründe am 5.10.1981 zugestellt waren, ausdrücklich der Revisionsbegründung
der Anwälte des Angeklagten Nölkenbockhoff Rechtsrelevanz zugebilligt und bei
der Beurteilung und Entscheidung der anstehenden Entscheidungen nach § 467 Abs.
1 StPO, 6 StrEG maßgebliche Bedeutung zugemessen hat.
Auf diese Entscheidungsgrundsätze
des Bundesverfassungsgerichts geht das OLG mit keinem Wort ein, genauso wie es
bei der Verneinung der Aktivlegitimation der Witwe des Angeklagten Demjanjuk
verschweigt, dass das Bundesverfassungsgericht es in seiner Entscheidung Nölkenbockhoff
gegen Bundesrepublik ausdrücklich gebilligt hat, dass die Witwe des Herrn Nölkenbockhoff
sogar die Anträge nach § 467 Abs. 1 und 2 StPO nach dem Tode ihres Mannes
gestellt hat.
Die Vorgehensweise des OLG,
nämlich gegenüber dem Publikum den Eindruck zu erwecken, Ansprüche des
Angeklagten oder seiner Witwe oder seiner Familie seien ja schon aufgrund der
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Sache
Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik Deutschland nicht gegeben, ist in jeder
Hinsicht objektiv sittenwidrig, wenn man bedenkt, dass das OLG mit den seinem
Beschluss konträr entgegengesetzten Auffassungen des Bundesverfassungsgerichts
und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte schlechterdings
verschweigt und sie nicht einmal diskutiert.
Das Maß des Unerträglichen
schlägt hier um in ein Maß nicht hinnehmbarer objektiver Sachwillkürlichkeit.
C.
Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der
Vorgehensweise von LG und OLG im Übrigen sind aus der Sicht der
Beschwerdeführer folgende Entscheidungen maßgeblich zu berücksichtigen bzw. zu
beachten:
- Entscheidung des
Bundesverfassungsgericht – 2 BvR 1609/02 -: Strafprozessuelle Entscheidungen
über Kosten, Auslagen oder Entschädigungsansprüche dürfen .... und mit
Feststellungen zur Schuld begründet werden, wenn das Verfahren nicht bis zur
Schuldspruchreife gediehen war.
- OLG Nürnberg vom 30.3.2010 – 1
Ws 113/10 -: Mit dem Tod des Angeklagten ist nach nunmehr herrschenden Meinung
die Beauftragung des Wahlverteidigers und die ihm hierbei erteilte Vollmacht
... nicht erloschen. Die Gegenmeinung, die beim Tod des Angeklagten ein
vollständiges Erlöschen der Verteidigervollmacht annimmt ... ist dies im
wesentlichen mit dem prozessrechtlichen Besonderheiten des Strafverfahrens
begründet, insbesondere dem höchstpersönlichen Charakter des
Prozessrechtsverhältnisses, in das der Angeklagte gezwungen werde, folgt der Senat
nicht. ... Der BGH hat mit seinem grundlegenden Beschluss vom 8.6.1999
klargestellt, dass im Falle des Todes
des Betroffenen ... das Strafverfahren wegen des eingetretenen Verfahrenshindernisses
außerhalb der Hauptverhandlung durch einen Beschluss gem. § 206 a Abs. 1
einzustellen und mit den erforderlichen Nebenentscheidungen zu versehen ist.
Erst diese förmliche Einstellung beendet danach mit konstitutiver Wirkung die
fortbestehende Anhängigkeit des zuvor förmlich eingeleiteten Verfahrens. Bei
den Verfahrenshindernissen der Verjährung oder der wegen Erkrankung dauerhaften
Verhandlungsunfähigkeit liegt es auf der Hand, dass die rein formell zu
betrachtende Verfahrensstellung des Angeklagten erst mit Rechtskraft des
Einstellungsbeschlusses gem. § 206 a Abs. 1 StPO endet.
Unzweifelhaft ist in diesem
Zusammenhang aber auch, dass ein wirksam begründetes Wahlverteidigermandat bei
einem dauerhaft verhandlungsunfähigen Angeklagten nicht schon mit der Feststellung
der Verhandlungsunfähigkeit beendet wird, sondern erst mit der konstitutiv
rechtskräftigen Verfahrenseinstellung. Nichts anderes hat jedoch dann zu
gelten, wenn der Angeklagte wegen Todes dem Verfahren nicht mehr zur Verfügung
stehen kann. Solange das Verfahren nicht rechtskräftig eingestellt wird, hat
auch der Verstorbene weiterhin formell eine Verfahrensstellung als
Beschuldigter / Angeklagter und die von ihm für das Verfahren erteilte Verteidigervollmacht gilt solange fort.
- Bundesverfassungsgericht vom
28.3.2006 – 2 BvR 2059/05 -: Die Unschuldsvermutung ist eine besondere
Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und hat damit Verfassungsrang. Zwar
verwehrt sie es dem Strafverfolgungsorgan nicht, schon vor Abschluss der
Hauptverhandlung verfahrensbezogen den Grad des Verdachts einer strafbaren
Handlung eines Beschuldigten zu beurteilen. Feststellungen zur Schuld des
Angeklagten zu treffen und Schuld auszusprechen, ist den Strafgerichten aber
erst erlaubt, wenn die Schuld des Angeklagten in dem mit rechtsstaatlichen
Verteidigerungsgarantien ausgestatteten bis zum prozessordnungsgemäßen
Abschluss durchgeführten Strafverfahren nachgewiesen ist. Wird ein
Strafverfahren eingestellt, bevor die Hauptverhandlung bis zur
Schuldspruchreife durchgeführt worden ist, so fehlt es an einer prozessordnungsgemäßen
Grundlage für das Schulderkenntnis.
Lässt es die Unschuldsvermutung grundsätzlich
zu, in einer Entscheidung nach § 467 Abs. 4 StPO einen verbleibenden
Tatverdacht festzustellen und zu bewerten, dann muss aber aus der Begründung
deutlich hervorgehen, dass es sich nicht um eine gerichtliche
Schuldfeststellung handelt, sondern nur um die Beschreibung und Bewertung einer
Verdachtslage. Dieser Unterschied muss auch in der Formulierung der Gründe
hinreichend Ausdruck finden. Unabhängig davon ist angesichts des
verfassungsrechtlichen Rangs der Unschuldsvermutung darauf Bedacht zu nehmen,
nur solche Formulierungen zu verwenden, die von vorne herein jeden Anschein
einer unzulässigen Schuldzuweisung vermeiden.
Für die Feststellung des
verbliebenen Tatverdachts gelten dieselben Grundsätze wie die in einem
prozessordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommene Schuldfeststellung. In
beiden Fällen dürfen keine Auslegungsfehler sichtbar werden, die auf einer
grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts
beruhen. Daneben dürfen die Feststellungen
nicht mit Mängeln in der Rechtsanwendung oder im eingeschlagenen
Verfahren behaftet sein, die die Annahme der tatbestandlichen Voraussetzungen
unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr
verständlich erscheinen lassen, so dass sich der Schluss aufdrängt, dass sie
auf sachfremden Erwägungen beruhen.
... hätte das Landgericht
lediglich eine Verdachtsschwere bezeichnen wollen, hätte es dieser Formulierungen
nicht bedurft, vielmehr wäre eine nähere Darlegung des bisherigen Beweisergebnisses
erforderlich gewesen. ... Zu einer rechtskräftigen strafrechtlichen
Verurteilung des Beschwerdeführers ist es nicht gekommen. Es liegt auch keine
bis zur Schuldspruchreife durchgeführte Hauptverhandlung vor. Vielmehr war dem
Landgericht eine Feststellung strafrechtlicher Schuld nach der Aufhebung des
Urteils und der Zurückverweisung der Sache auch unter diesem Gesichtspunkt
nicht gestattet. ... eine Aussage zur Schwere des Tatverdachts, geschweige denn
zur Richtigkeit des angegriffenen Schuldspruchs konnte das OLG mithin gar nicht
treffen.
- OLG Hamm – 3 Ws 496/96 vom
2.10.1996: Ein fakultativer Ausschluss der Entschädigung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2
StrEG kommt nämlich, ebenso wie die Versagung der Auslagenerstattung gemäß §
467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO, ausschließlich
dann in Betracht, wenn im Falle der Einstellung bzw. Nichteröffnung des
Hauptverfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses allein dieses Verfahrenshindernis
die Verurteilung hindert, mithin auf dem Wege bis zur Feststellung des Verfahrenshindernisses
bereits die strafrechtliche Schuld bis zur Schuldspruchreife gerichtlich
geklärt worden ist (OLG Hamm, NJW 1986, Seite 734 ff.; OLG Zweibrücken NStE Nr.
1 zu § 467 StPO; OLG Köln, NStE Nr. 7 zu § 467 StPO: erforderlich sei
regelmäßig ein unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten in unbedenklicher Weise
zustande gekommenes Geständnis; KG, NJW 1994, 600; LG Berlin, NJW 1993, 2545;
Meyer Strafrechtsentschädigung und Auslagenerstattung 3. Aufl., § 6 StrEG,
Rd-Nr. 30a; Schimanski NKK-StPO, 3. Aufl. § 467 Rd-Nr. 10a).
Diese Voraussetzung ist aber nur
dann gegeben, wenn die Schuld des Angeschuldigten bereits gerichtlich
festgestellt ist, zumindest aber ein prozessual ordnungsgemäß zustande
gekommenes glaubhaften Geständnis vorliegt, da anderenfalls auch die mangelnde
Schuldfeststellung einer Verurteilung entgegenstehen könnte. ...
Mit der Reform des § 467 StPO
durch Art. 2 Nr. 25 des Einführungsgesetzes zum Gesetz über
Ordnungswidrigkeiten hat der Gesetzgeber wegen der in dem Rechtsstaatsprinzip
wurzelnden Unschuldsvermutung das Gesetz dahingehend geändert, dass nicht mehr
nur bei erwiesener Unschuld, sondern auch bei einem Freispruch mangels Beweisen
(Freispruch 2. Klasse) trotz weiterbestehenden Tatverdachts nunmehr
grundsätzlich die Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten nach §
467 Abs. 1 StPO zu tragen hat. Das sollte auch für die Ablehnung der Eröffnung
des Hauptverfahrens oder die Einstellung des Hauptverfahrens oder die
Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses gelten (§ 467
Abs. 1 StPO), während bei der Einstellung des Verfahrens nach einer Vorschrift,
die dies nach dem Ermessen des Gerichts zulässt, dieses nach seinem Ermessen
davon absehen kann, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse
aufzuerlegen.
- OLG Celle, Beschluss vom
28.5.2002, AZ: 1 Ws 132/02: Für die Entscheidung kommt es mithin darauf an, ob
der Angeklagte nach der bisherigen Beweislage voraussichtlich verurteilt worden
wäre oder nicht. Als Ausnahmevorschrift und im Hinblick auf die verfassungsrechtlich
verankerte Unschuldsvermutung ist die Regelung grundsätzlich restrektiv
auszulegen. Die Unschuldsvermutung schließt jedoch eine Kostenüberbürdung
jedenfalls dann nicht aus, wenn die Schuld des Angeklagten in einer bis zur
Schuldspruchreife durchgeführten Hauptverhandlung festgestellt worden ist. ...
Ein Ermessensspielraum für die
Auslagenentscheidung ist dem Gericht nach § 467 Abs. 3 Nr. 2 ohnehin lediglich
insoweit eröffnet, als dass ohne das Verfahrenshindernis eine Verurteilung zu
erwarten gewesen wäre.
- Europäischer Gerichtshof,
Beschwerdenummer: 10300/83 vom 25.8.1987: Der Grundsatz der Unschuldsvermutung
soll jede „wegen einer Straftat angeklagte Person“ vor einem Schuldspruch
schützen, bevor deren Schuld in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise
nachgewiesen wurde. Daraus folgt jedoch nicht, dass eine Entscheidung, die die
Unschuld eines wegen einer Straftat angeklagten Mannes nach dessen Tod in Frage
stellt, nicht nach Art. 25 von seiner Witwe gerügt werden kann. Sie kann sowohl
ein legitimes materielles Interesse in ihrer Eigenschaft als Erbin des
Verstorbenen haben als auch ein moralisches Interesse für ihre eigenen Belange
und die ihrer Familie, ihren verstorbenen Ehemann von jedem Schuldvorwurf
freigestellt zu sehen. Wie vom Delegierten der Konvention ausgeführt wurde,
trifft dies im vorliegenden Falle zu. Unter diesen Umständen kann die
Beschwerdeführerin daher behaupten, „Opfer“ im Sinne von Art. 25 zu sein. Der
Gerichtshof möchte außerdem darauf hinweisen, dass das deutsche Bundesverfassungsgericht,
dessen Verfassungsbeschwerdeverfahren dem Verfahren nach der Konvention
vergleichbar ist, die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin nicht
mangels Aktivlegitimation abgewiesen hat.
D.
I. Der Ausschluss der Witwe und
des Sohnes von der Aktivlegitimation gem. § 206 a Abs. 2 StPO ist unter
Berücksichtigung der Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte schon für sich genommen ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung
des Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2, 1 und Art. 20 GG, Art. 25 EMRK
sowie Art. 1, 19 GG.
II. Die Ausführungen des OLG
machen darüber hinaus deutlich, dass das OLG die im Rechtsstaatsprinzip zum
Verfassungsprinzip erhobene Unschuldsvermutung weder in ihrer Bedeutung noch in
ihrem Umfang noch in ihren Rechtswirkungen verstehen will. Die Sperrung der
Anhörigen und des Verteidigers von der Aktivlegitimation ist ein objektiv
ungeheuerlicher Vorgang des Verstoßes gegen das Verbot sachwillkürlicher
Entscheidungen. Die vom OLG für seine Auffassung angeführten Argumente sind
allesamt Scheinargumente. Die Regelung des § 297 StPO hat mit der vorliegenden
Fallgestaltung nicht das Geringste zu tun.
Es ist eine Binsenwahrheit, dass
mit dem Tod des Angeklagten die Verteidigervollmacht zur Einlegung von
Rechtsmitteln erlischt. Es ist jedoch offensichtlich, dass diese Vollmacht zur
Einlegung von Rechtsmitteln nur solche Rechtsmittel betrifft, die der
Weiterführung des Verfahrens trotz Todes des Angeklagten dienen. Hier geht es
um Beendigungstatbestände, nicht aber um Weiterführungstatbestände des gegen
den Angeklagten gerichteten Strafverfahrens. Muss, wie jetzt Gesetzeslage, das
Verfahren durch förmliche Beschlüsse mit entsprechenden Unschuldsvermutung
tangierenden oder betreffenden Nebenentscheidungen zu Ende geführt werden, muss
die Verteidigerstellung und die Befugnis des Verteidigers zur Mitwirkung an
allen noch zu treffenden Entscheidungen und zur Einlegung von Rechtsmitteln
erhalten bleiben. Wäre das richtig, was das OLG behauptet, würde die
Verteidigerstellung bei Tod des Angeklagten zwingend insgesamt entfallen
müssen, ein Einstellungsbeschluss nach § 206 a StPO dürfte nicht einmal dem Verteidiger
zugestellt werden. Dasselbe müsste aber auch für den Staatsanwalt gelten,
dasselbe müsste auch für das Gericht gelten. Alle anderen Verfahrensbeteiligten
könnten ebenfalls nicht mehr an zu treffenden Beendigungsentscheidungen
mitwirken. Solche dürfte es gar nicht geben.
Alle diese Konsequenzen zeigen
die Unvertretbarkeit der Behauptungen des OLG in diesem Zusammenhang auf, die
überhaupt nicht mehr nachvollziehbar und auch nicht mehr begründbar sind.
Das OLG glaubt in diesem Zusammenhang offensichtlich,
sowohl die Menschenwürde des Angeklagten als auch die Unschuldsvermutung zu
seinen Gunsten endeten mit dem Tod des Angeklagten, er würde sie quasi mit ins
Grab nehmen. Die aus dem Rechtsstaatsprinzip zu entwickelnde Unschuldsvermutung
gilt jedoch genauso wie die Menschenwürde des Angeklagten entgegen der
Auffassung des OLG über dessen Tod hinaus. Die Unschuldsvermutung endet immer
erst mit der Rechtskraft einer Verurteilung, niemals vorher. Die
Unschuldsvermutung ist ein Mindestrecht im Sinne der Europäischen
Menschenrechtskonvention, die einem Angeklagten bis zum rechtskräftigen
Schuldspruch nicht nehmbar ist. Das
Strafverfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass der Staat bis zu einem
rechtskräftigen Urteil das volle Risiko der Widerlegung der Unschuldsvermutung
zu tragen hat, und zwar ungeteilt und vollständig und ohne Abschläge. Die
Unschuldsvermutung gilt auch und insbesondere bei einem Tatverdacht. Trotz
Tatverdachts und trotz bestehen bleibenden Tatverdachts trägt auch dann der
Staat das volle Risiko der Widerlegung der Unschuldsvermutung bis zum
rechtskräftigen Schuldspruch. Der Angeklagte darf an dem Nachweis seiner Unschuld
mitwirken, er muss jedoch nicht seine Unschuld nachweisen. Er trägt im Gegensatz
zum Staat nicht das Risiko der Nichterweislichkeit seiner Unschuld.
Dies zwingt dazu, dass die Subjektstellung des Angeklagten
als das Recht seines Verteidigers, als Sachwalter der Unschuldsvermutung des
Angeklagten aufzutreten, gerade und insbesondere erhalten bleiben muss, wenn
das Verfahren wie hier durch den Tod des Angeklagten platzt und es ausgeschlossen
ist, dass der Angeklagte schuldig gesprochen werden kann. Der Verteidiger und
mit ihm die Angehörigen des Angeklagten haben in solchen Verfahrensstadien die
ihnen vom Gesetz geradezu zugewiesene und aus dem Rechtsstaatsprinzip zwingend
heraus zu filternde Pflicht, für die Einhaltung der Unschuldsvermutung bei den
verfahrensbeendenden Maßnahmen Sorge zu tragen und die Unschuldsvermutung,
nämlich dass das Verfahren gegen einen nach wie vor schuldlosen Angeklagten
ohne Schuldspruch zu Ende gegangen ist, durchzusetzen. Die Sperrung der
Verteidigung und der Angehörigen durch das OLG beruht auf dieser völligen Verkennung
des Rechtsstaatsprinzips in Verbindung mit der Unschuldsvermutung und
Menschenwürde eines Angeklagten.
III. Dass die Entscheidung des OLG offensichtlich
sachwillkürlich im Sinne des Art. 3 GG ist, ergibt sich auch aus Folgendem:
Geht man davon aus, dass der Tod eines Angeklagten ein
Verfahrenshindernis ist, welches zur
Einstellung des Verfahrens nach § 206 a StPO führen muss, ist die gesamte
Vorschrift in Bezug zu nehmen.
§ 206 a StPO hat aber nicht nur einen Absatz 1, sondern
auch einen Absatz 2. Die Entscheidung des Gerichts ist danach ausdrücklich mit
der sofortigen Beschwerde angreifbar.
Wenn Verteidiger und Angehörige die Entscheidungen des
Gerichts, die im Rahmen der Beendigung bei Auftreten eines
Verfahrenshindernisses anliegen, nicht mit der sofortigen Beschwerde angreifen
dürfen, gibt es weder hinsichtlich der Entscheidung nach § 206 a noch
hinsichtlich der Entscheidung nach § 467 StPO als auch § 6 StrEG einen
Beschwerdeberechtigten. Danach kann das einstellende Gericht unkontrolliert und
unkontrollierbar machen, was es will. Seine Entscheidung, ob sachwillkürlich,
ob verfassungswidrig, ob konventionswidrig oder nicht, ob die Unschuldsvermutung
verletzend oder nicht, ob unter schwersten Ermessensmissbrauch zu Lasten der
Unschuldsvermutung zustande gekommen oder nicht, ist rechtskräftig.
Damit wird vom OLG die Entscheidung des LG den
Kontrollmechanismen, die der Gesetzgeber in der StPO vorgesehen hat, entzogen
und ihm freigestellt, jedwede Entscheidung, ob gesetzeswidrig oder nicht, zu
erlassen, bis hin zu einer denkbaren Rechtsbeugung. Wo kein Kläger, keine
Anklage.
Wenn und solange man den Tod eines Angeklagten als nach §
206 a StPO zu behandeln einstuft, muss der Verteidigung das Recht zustehen, das
Rechtsmittel des § 206 a Abs. 2 StPO zu
benutzen und zu ergreifen.
Um so unverständlicher ist angesichts der Existenz des §
206 a Abs. 2 StPO die vom OLG vorgetragene Rechtsauffassung.
Im Übrigen ist die Rechtsauffassung des OLG mit der im
Vorkapitel genannten Entscheidungen völlig unvereinbar, das OLG musste bei
Zugrundelegung seiner objektiv abstrusen und abwegigen Auffassung mit einer
anderweitigen Beurteilung durch die
erdrückend herrschende Meinung rechnen.
Dass das OLG gleichwohl seine objektiv abstruse und
abwegige Auffassung zugrunde gelegt hat – übrigens der einzige Weg, um die
skandalöse Prozessführung gegen John Demjanjuk zu vertuschen und den
Verteidiger und die Angehörigen zum Schweigen zu bringen – musste es wenigstens
von Verfassungswegen und wegen des Rechtsstaatsprinzips erörtern, warum er der
erdrückend herrschenden Meinung in diesem Punkt nicht gefolgt ist.
Gerade diese Rechtfertigung hat das OLG unterlassen, ein
selbständiger Verstoß gegen das Verbot sachwillkürlicher Entscheidungen im
Sinne des Art. 3 GG.
E.
Unter Beachtung vorstehender
aufgeführter Rechtsgrundsätze ergeben sich ohne Weiteres folgende
Verfassungsverstöße:
I. Es ist unzweifelhaft, dass das
LG München in seinem Beschluss vom 5.4.2012 dem Angeklagten gegenüber die Schuldfeststellung
aus dem Urteil des LG München II vom 12.5.2011 nicht nur wiederholt, sondern
diese noch vertieft.
Das Landgericht bestätigt
ausdrücklich die Richtigkeit der Schuldfeststellung des Urteils, und zwar mit
folgenden Argumenten:
Umfangreiche
Beweisaufnahme
Ausführliche
Beweiswürdigung zu den Tatsachenfeststellungen
Erörterung
sämtlicher maßgeblicher Rechtserwägungen
Mit diesen Ausführungen gibt das
Landgericht sich selbst einen „Persilschein“ für die Fehlerlosigkeit des von
ihm selbst durchgeführten Verfahrens einschließlich der Richtigkeit der Schuldfeststellung.
Sodann erörtert das Landgericht,
aus welchen Gründen es nicht zur Rechtskraft der Schuldfeststellung gekommen
ist. Hierzu bedient sich das Landgericht einer „Beschimpfung“ des Verteidigers,
die im Rahmen einer Einstellungsentscheidung nach § 467 StPO auch nicht
entfernt zur Sache gehört oder mit der Sache zu tun hat. Die Beschimpfung der
Verteidigungsstrategie und die Vorwürfe der Verschleppung, Verzögerung und
Destruktion der Verteidigungsstrategie hat mit einer verfahrensbeendenden
Entscheidung und den dabei anzustellenden Erwägungen einschließlich aller
Ermessenserwägungen nichts zu tun. Es ist eindeutig, dass der Satz des
Landgerichts, dass die Hauptverhandlung binnen
weniger Monate zu einem Abschluss gebracht hätte werden können, nicht
anders zu verstehen ist als so:
Die Verurteilung des
Angeklagten hätte binnen weniger Monate erreicht werden können.
Wenn man das vom LG betretene
juristische Neuland, den Dammbruch und die neue Rechtstheorie bedenkt, auf
dessen Grundlagen dieser Prozess geführt wurde, hätte das Landgericht auch wie
folgt begründen können:
Die Verurteilung des
Angeklagten hätte am 1. Verhandlungstag erreicht werden können.
Im vorletzten Absatz des Beschlusses
verwendet das Landgericht die Worte:
ohne abschließende
Schuldzuweisung.
Die Behauptung des OLG, das LG
habe damit offen gelassen, ob den Angeklagten überhaupt eine Schuld treffe,
stellt Wortlaut, Sinn und Gesamtzusammenhang des Beschlusses des Landgerichts
geradezu auf den Kopf. Die Formulierung „ohne abschließende Schuldzuweisung“
heißt im vorliegenden Fall nichts anderes als:
ohne rechtskräftige
Schuldzuweisung.
Dass das Landgericht in seinem
Beschluss nichts anderes als die Schuldzuweisung und ihre Richtigkeit
verteidigt, liegt offen auf der Hand. Die Entscheidung des Landgerichts
verstößt somit diametral gegen die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK in
Verbindung mit Art. 1 und Art. 2 sowie Art. 20 GG.
Der Beschluss des OLG, der
behauptet, das LG München habe keine endgültige Schuldzuweisung im Beschluss
vorgenommen, teilt in diesem Zusammenhang das Schicksal der Verfassungswidrigkeit
des Beschlusses des LG, ist darüber hinaus aber auch wegen Verstoßes gegen das
Verbot der Sachwillkür nach Art. 3 GG null und nichtig.
II. Sowohl das LG als auch das
OLG gehen mit keinem einzigen Wort auf die Tatsache ein, dass der Angeklagte
gegen die Schuldfeststellung und das Urteil des LG München vom 12.5.2011 Revision
eingelegt hat und diese innerhalb der Revisionsbegründungsfrist gesetzlich
ordnungsgemäß begründet hat. Der weitere Weg des Falles, der spätestens im
Dezember 2011 beim Bundesgerichtshof hätte vorliegen müssen, wird ebenfalls
sowohl vom LG als auch vom OLG verschwiegen. Das gesamte Revisionsvorbringen
des Angeklagte sowie der gesamte weitere Verfahrensgang, der gepflastert ist
von Versäumnissen und Verschleppungen des Falles durch die Münchner Justiz,
wird sowohl im Beschluss des LG München als auch im Beschluss des OLG München
verschwiegen.
Die Einzelheiten der
Verschleppung und Verzögerung sind im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
2 BvR 1933/12 dargestellt.
LG und OLG haben absichtsvoll das
Revisionsvorbringen und die Verzögerungen und Verschleppungen weder zur
Kenntnis genommen noch in irgendeiner Weise berücksichtigt.
§ 467 Abs. 3 sowie § 6 StrEG
setzt für die gesetzliche Legitimation zu Ermessungsentscheidungen des LG und
des OLG zu Lasten des Angeklagten trotz Geltung der Unschuldsvermutung voraus,
dass weder sonstige Verfahrenshindernisse, Befassungs- und Bestrafungsverbote
bestehen, dass die Prozessführung ordnungsgemäß war und die Rechtsanwendung
nicht zu beanstanden ist.
Das Revisionsvorbringen des
Angeklagten bestand und besteht in dem Geltendmachen anderweitiger Verfahrenshindernisse,
Bestrafungs- und Befassungsverbote, besteht im Bestreiten der
Schuldfeststellung, besteht in der Rüge der Fehlerhaftigkeit der
Rechtsanwendung in Bezug auf prozessuale und materielle Normen.
Das Revisionsvorbringen ist dem
Bundesverfassungsgericht in der vorgenannten Verfassungsbeschwerdesache mittels
CD übermittelt worden. Es liegt dort vor.
Es wird beantragt:
Die CD bzw. das
dort einsehbare Revisionsvorbringen des Angeklagten wird beigezogen und
verwertet.
Ergeben sich, wie in der Revisionsbegründung
nachgewiesen, zwingende Verfahrenshindernisse, ist das Verfahren in jeder Lage,
in der es sich befindet, einzustellen. Das Verfahren gegen den Angeklagten
Demjanjuk musste hier schon deshalb eingestellt werden, weil dem Verfahren von
vorne herein die Zwangsdeportation des Angeklagten entgegenstand, die
verfassungsrechtliche Unzulässigkeit der Sonderverfolgung des Angeklagten im
Wege der lex Demjanjuk, weil gegen den
Verfassungsgrundsatz nulla poena sine lege und gegen den
Verfassungsgrundsatz ne bis in idem verstoßen wurde, weil weder eine deutsche
Gerichtsbarkeit noch die Anwendung deutscher Strafgesetze denkbar oder möglich
war, weil dem Landgericht auf dem Wege zu seiner Schuldfeststellung die
gravierendsten sachwillkürlichen, nicht mehr nachvollziehbaren und unvertretbaren
Rechtsanwendungsfehler unterlaufen sind, z.B. der Ausschluss des § 47
Militärstrafgesetzbuch und der sich daraus ergebenen Konsequenzen, der
Ausschluss des § 51 StGB mit den daraus sich ergebenden Konsequenzen der Ausschluss
des Status des Angeklagten als Kriegsgefangener, der bei jeder Nichtausführung
eines jeden Befehles unter Todesdrohung nach dem Militärstrafgesetzbuch stand.
Auf die gesamte Revision und das gesamte Revisionsvorbringen einschließlich
aller Ergänzungen wird ausdrücklich verwiesen. Das Revisionsvorbringen schloss,
wenn es zur Kenntnis genommen worden wäre und beachtet worden wäre, jede
Ermessensentscheidung nach § 467 Abs. 3 StPO, § 6 StrEG von vorne herein aus.
Die Beiseiteschiebung des
Revisionsvorbringens durch LG und OLG und die absichtsvolle Nichtbefassung mit
demselben enthält einen Schwerstverstoß gegen das Verbot der sachwillkürlichen
Entscheidung im Sinne des Art. 3 GG sowie einen Verstoß gegen das
Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG.
Soweit gleichzeitig ein Verstoß
gegen Art. 103 Abs. 1 GG in Rede steht, wird hierauf gesondert eingegangen.
III. Der Beschluss des OLG
versperrt dem verstorbenen Angeklagten sowie seinen Angehörigen jeden Zugang zu
den Gerichten trotz der Zugangsgarantie des Art. 19 GG und trotz der Unschuldsvermutung
für den Angeklagten im Rahmen der Art. 6 Abs. 2 EMRK in Verbindung mit Art. 2
und Art. 1 GG.
Die Argumentation ist in jeder
Hinsicht unvertretbar und wird von sonst Niemandem geteilt. Jedenfalls mussten
die Richter des OLG, als sie ihre objektiv abstruse und abwegige Auffassung der
Entscheidung zugrunde legten, zumindest auf die abweichenden Meinungen und
abweichenden Rechtsauffassungen eingehen. Dabei wird hier die Auffassung
vertreten, dass die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte in Sachen Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik Deutschland in
Verbindung mit den wiederholten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts,
in denen dieses sich auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom
25.8.1987 beruft, Gesetzeskraft im Sinne des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes
hat.
Danach ist die Opferolle der
Beschwerdeführer Vera Demjanjuk und John Demjanjuk unzweifelhaft, ihre
Aktivlegitimation ebenfalls unzweifelhaft.
IV. Das OLG hält es in seinem
Beschluss für von Rechtswegen nicht zu beanstanden, dass das LG aus der nicht
rechtskräftigen Schuldfeststellung des Urteils des LG – ein und dieselbe Kammer
– angeblich einen gegen den Angeklagten bestehenden Tatverdacht herleitet und
auf dieser Grundlage die Ansprüche des Angeklagten auf Erstattung seiner
notwendigen Auslagen – über § 6 StrEG verhält sich das OLG nicht – verweigert.
Auch diese Rechtsauffassung
verstößt massiv gegen das Verbot sachwillkürlicher Entscheidungen, ferner gegen
das Rechtsstaatsprinzip, gegen die Unschuldsvermutung in ihrer durch das
Rechtsstaatsprinzip und die Menschenwürde zu entwickelnden Ausprägung sowie
gegen das aus der Menschenwürde abzuleitende Gerechtigkeitsprinzip mit
Verfassungsrang.
1.) Wie bereits ausgeführt, haben
weder das LG noch das OLG das Revisionsvorbringen des Angeklagten in Erwägung
gezogen noch überhaupt zur Kenntnis genommen. Beide Gerichte haben das
Revisionsvorbringen des Angeklagten schlichtweg ausgeschlossen.
Das OLG geht davon aus, dass zur
Entscheidung das Tatgericht zuständig sei, das trotz Vorlage der
Revisionsbegründung das Verfahren noch nicht beim Revisionsgericht anhängig
sei. Wäre das Verfahren beim Revisionsgericht anhängig gewesen, als der Tod des
Angeklagten eintrat, wäre es dem Revisionsgericht zugefallen, die
entsprechenden Entscheidungen zu treffen. Dabei wäre das Revisionsvorbringen
des Angeklagten zwingend zu berücksichtigen gewesen. Hätten sich Verfahrenshindernisse,
Verfahrensfehler oder Verletzungen des materiellen Rechts aufgrund des Revisionsvorbringens
herausgestellt, wäre das Revisionsgericht verpflichtet gewesen, die notwendigen
Auslagen des Angeklagten der Staatskasse
aufzuerlegen und seinen Nachlass für die erlittene Polizei- und Untersuchungshaft
zu entschädigen.
Es ist mit dem
Rechtsstaatsprinzip und der Unschuldsvermutung unvereinbar, dass, wie das OLG
behauptet, jeweils ein völlig anderer Prüfungsmaßstab gelten soll, je nachdem,
ob der Zufall oder die Verschleppung durch die zuständige
Generalstaatsanwaltschaft oder die Beschleunigung durch die entsprechende
Generalstaatsanwaltschaft die Sache beim Revisionsgericht anhängig gemacht hat
oder nicht. Es kann nicht sein, dass das gesamte Revisionsvorbringen deshalb
vom LG und OLG ignoriert werden kann, weil der Tatrichter, die
Staatsanwaltschaft und die Generalstaatsanwaltschaft das Zustandekommen des
Revisionsverfahrens über Monate verzögert haben und dafür Sorge getragen haben,
dass die Akten auch 10 Monate nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils dem
Revisionsgericht noch nicht vorlagen. Es muss jedem Angeklagten wegen der
Unschuldsvermutung und seine überragenden Bedeutung und angesichts des
ungeteilten Risikos der Staatsanwaltschaft, die Unschuldsvermutung nicht
widerlegen zu können, gestattet sein, in jeder Lage des Verfahrens,
insbesondere bei dessen Beendigung alle Tatbestände, die die Unschuld des Angeklagten
beweisen sowie alle Tatbestände, die gegen eine Schuldfeststellung sprechen
oder diese erschüttern, vorzutragen. Das Rechtsstaatsprinzip erzwingt somit, dass
der Prüfungsmaßstab des Revisionsgerichts einerseits, des Tatrichters
andererseits, identisch sind.
Alles, was der Angeklagte bzw.
sein Verteidiger bis zu seinem Tode für seine Unschuld vorgetragen hat, ist zu
berücksichtigen, insbesondere ist eine Revision und deren Begründung in vollem
Umfange auch vom Tatrichter zu berücksichtigen.
Dies wird vom LG und OLG
verweigert, Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip, die Unschuldsvermutung und
Verstoß gegen Art. 103, Art. 3 GG.
Der Angeklagte kann entgegen der
Auffassung von LG und OLG nicht deshalb schlechter stehen, weil er vor
Durchführung des Revisionsverfahrens gestorben ist. Der vom Landgericht und OLG
vorgenommene komplette Ausschluss der Revisionsbegründung hat unter
Berücksichtigung der Unschuldsvermutung ausschließlich
Bestrafungscharakter,
der mit dem Rechtsstaatsprinzip und der Menschenwürde des Angeklagten
unvereinbar ist.
2.) Eine Schuldfeststellung des
erstinstanzlichen Richters reicht unter Beachtung der überragenden Bedeutung
der Unschuldsvermutung nicht aus, die Ansprüche des Angeklagten auf Auslagenerstattung
sowie Entschädigungszahlungen nach dem StrEG ermessensfehlerfrei auszuschließen.
Von einem solchen Fall kann und
darf nur dann ausgegangen werden, wenn
die Schuldfeststellung auf einem glaubhaften und überprüften Geständnis des
Angeklagten in erster Instanz beruht. Hat jedoch der Angeklagte kein Geständnis
abgelegt, vielmehr die ihm in der Anklage vorgeworfenen Beschuldigungen
bestritten, reicht die Schuldfeststellung eines mit zulässigen Rechtsmitteln
angegriffenen Urteils nicht aus. Die Unschuldsvermutung zwingt dazu, einerseits
davon auszugehen, dass der Angeklagte bei Nichteintritt seines Todes in zweiter Instanz freigesprochen worden wäre
oder aber seine Unschuld bewiesen hätte. Die Unschuldsvermutung garantiert
darüber hinaus dem Angeklagten den vollen gesetzlich vorgesehenen Instanzenzug.
Jedes Verfahren und jeder Tatrichter müssen bei Zulassung einer Anklage und
Eröffnung des Hauptverfahrens die sichere Erwartung haben können, der
Angeklagte werde seine Rechte im Rechtsstaat, wie sie in den einschlägigen
Verfahrensordnungen geregelt ist, in vollem Umfange einhalten können. Die Ermittlungsbehörden,
insbesondere aber der Tatrichter müssen davon überzeugt sein, dass dem Angeklagten
alle verfahrensrechtlichen Garantien und Rechte bis zum rechtskräftigen Urteil
zustehen und von ihm in Gebrauch genommen werden können.
Ist dies, wie im vorliegenden
Fall objektiv ausgeschlossen und zwar wegen der
allgemein bekannten und gerichtskundigen Erkrankung des Angeklagten an
einem tödlich verlaufenden Krebsgeschehen im Bereich seiner Blutbildung, kann
eine erstinstanzliche Schuldfeststellung wegen der von vorne herein bestehenden
rechtsstaatlichen Defizite des Beginns, der Eröffnung und Durchführung des
Verfahrens von vorne herein keine Bedeutung erlangen.
3.) Die Auffassung des OLG führt
im Rahmen der § 467, § 6 StrEG zu einem automatischen Ausschluss der Rechte des
Angeklagten nach diesen Vorschriften.
Jedwede Schuldfeststellung in
einem Urteil verführt zu der Behauptung, es bestünde ein entsprechender
Tatverdacht. Dies gilt um so eher in den Fällen wie hier, wo der Tatrichter,
der eben das Urteil gefällt hat, und der Einstellungsrichter, der jetzt über
die Beendigung des Verfahrens entscheiden soll, identisch sind. Ein Richter,
der eben erst in aller Öffentlichkeit und im Namen des Volkes seine Überzeugung
von der Schuld des Angeklagten verkündet hat, ist weder individuell noch von
seinem Selbstverständnis her noch von Gesetzeswegen in der Lage, im Nachhinein
zu behaupten, die Schuldfeststellung, die er wenige Wochen oder Monate zuvor
getroffen habe, sei nicht berechtigt gewesen. Es bestünde auch kein
Tatverdacht.
Ein Richter, der sich so verhält,
macht sich nicht nur vor sich selbst, sondern insgesamt objektiv lächerlich. Er
wird angesichts seiner angeblich fortbestehenden Zuständigkeit gezwungen, sein
Urteil und seine Schuldfeststellungen auf die von ihm gemachten Rechtsfehler,
Anwendungsfehler und sogar auf eventuell von ihm durchgeführte Rechtsbeugung
hin zu überprüfen und diese eventuelle Rechtsbeugung sogar gegen sich selbst
aufzudecken.
Das dies unmöglich ist und jeden
Richter generell überfordert, ist so offensichtlich, dass nicht mehr
verständlich ist, aus welchem Grunde der BGH in seiner Entscheidung vom
10.7.2012 – 1 StR 293/12 – den Tatrichter als für die Einstellungsentscheidung
zuständig angesehen hat, obwohl die Instanz mit der Urteilsfällung von
Gesetzeswegen beendet war und der Tatrichter mit der Sache und seiner weiteren
Behandlung nichts mehr zu tun haben konnte.
Es ist objektiv sachwillkürlich
und nach dem Gesetz schlechterdings unvereinbar, dass in dieser Konstellation
dem Tatrichter abverlangt wird, seine eigene Schuldzuweisung zu überprüfen.
Eine solche Prüfung im Rechtssinne kann vom Tatrichter, der damit
ausschließlich in eigener Sache entscheidet, von Gesetzeswegen nicht verlangt
werden.
Allein zuständiges Gericht ist
nach Beendigung der Instanz das im Gesetz vorgesehene nächst höhere Gericht,
hier der BGH.
4.) Die vom OLG gewählte
Konstruktion des automatischen Übergangs der nicht rechtskräftigen
Schuldfeststellung in eine Tatverdachtsvermutung, die die Ansprüche des
verstorbenen Angeklagten § 467 StPO entfallen lässt, ist schon deshalb
verfassungswidrig, weil die Unschuldsvermutung auch bei einem bestehenden
Tatverdacht in vollem Umfange gilt und Geltung zu beanspruchen hat. Ein
bestehender oder fortbestehender Tatverdacht ist nicht geeignet, die Unschuldsvermutung
zu suspendieren oder abzulösen. Die Regelungen des § 467 StPO, § 6 StrEG
knüpfen aber an die Geltung der Unschuldsvermutung an, regeln jedoch nicht die
Folgen oder gesetzliche Konsequenzen aus einem bestehenden Tatverdacht. Der
Gesetzgeber wusste bei der Schaffung der Regelungen, dass auch Freisprüche zweiter
Klasse möglich sind und ein Tatverdacht trotz Freispruch fortbesteht, ja sogar
ein dringender Tatverdacht fortbestehen kann, gleichwohl ein Freispruch mangels
Nichterweislichkeit der Schuld des Angeklagten erfolgt. Die Formel, wie sie
auch Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft in diesem Verfahren aufgestellt
haben, nämlich:
Nicht rechtskräftige Schuldfeststellung =
Tatverdacht = Ausschluss der Rechte aus § 467 StPO, § 6 StrEG ist
verfassungswidrig.
Die Formel schließt von vorne
herein wegen ihres Automatismus die vom Gesetzgeber geforderten
Ermessenserwägungen aus im Sinne eines
generellen Automatismus des Ausschlusses.
Jedenfalls ist vor Übernahme der
erstinstanzlichen Schuldzuweisung im Urteil der Vortrag der Verteidigung in
seinen Stellungnahmen, insbesondere im Rahmen einer Revisionsbegründung, in
vollem Umfange zu beachten und zu überprüfen, bevor Ermessenserwägungen im
Sinne des § 467 Abs. 3 StPO angestellt werden und diese gegebenenfalls zu einem
Ausschluss der im Gesetz vorgesehenen Ansprüche des Angeklagten führen.
F.
Dass im vorliegenden Fall vom LG und vom OLG das
Revisionsvorbringen der Verteidigung bewusst und absichtsvoll ausgeschlossen
wurde, wird durch die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 18.4.2012
ausdrücklich bestätigt.
Das entsprechende Zitat auf Seite
23 der Verfassungsbeschwerde wird hier wie folgt wiederholt:
Eine
weitergehende Prüfung des Revisionsvorbringens der Verteidigung durch das
Erstgericht ist hingegen im Rahmen der Prognoseentscheidung des § 467 Abs. 3
Satz 2 StPO nicht veranlasst. Nur dann, wenn das Revisionsgericht bereits mit
der Sache (aufgrund der Anhängigkeit) befasst ist, ist es sachgerecht, den
Prüfungsmaßstab des Revisionsgerichts anzulegen, nämlich ob das Rechtsmittel
gewisse Erfolgsaussichten gehabt hätte (vgl. BGH NStZ –RR 2010, 32) bzw. ob die
Verurteilung bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses „sicher erscheint“
(vgl. insoweit Meyer-Goßner, § 467 StPO Rd-Nr. 16a.E).
Auch die Staatsanwaltschaft
vertritt somit ganz unverblümt das Argument, das Revisionsvorbringen der
Verteidigung für den Angeklagten sei auszuschließen und dürfe nicht
berücksichtigt werden.
Mit dieser Auffassung stellt auch
die Staatsanwaltschaft, der sich die Generalstaatsanwaltschaft insoweit
ausdrücklich angeschlossen hat, den Angeklagten wegen seines Todes schlechter
und reklamiert für einen vom Zufall oder genügender Verschleppung abhängenden
Umstand, nämlich ob die Sache beim Revisionsgericht anhängig wurde oder nicht,
einen völlig unterschiedlichen Gerechtigkeitsmaßstab. Unter Geltung des
Rechtsstaatsprinzips und unter verfassungsgemäßer Durchsetzung der
Unschuldsvermutung und des Rechts des Angeklagten, sich in jeder Lage des
Verfahrens verteidigen zu dürfen, ist die Verbannung der Revisionsbegründung durch
LG, OLG und Staatsanwaltschaft eine nicht hinnehmbare Verschlechterung und
Bestrafung des gestorbenen Angeklagten aus Anlass seines Todes.
Auch der Staatsanwaltschaft war
die Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofes in Sachen Entscheidung Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik
Deutschland und die zugrundeliegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
bekannt. Beide Entscheidungen setzen bei identischer Verfahrenslage in Sachen
Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik und Demjanjuk gegen Bundesrepublik es als
selbstverständlich voraus, dass das Revisionsvorbringen des Angeklagten auch
noch nach seinem Tode in die Waagschale geworfen wird.
Dass und warum
Staatsanwaltschaft, LG und OLG einhellig das Revisionsvorbringen aus diesem
Prozess verbannen wollen, ist offensichtlich:
Alle 3
Justizorgane wissen, dass die Revision des Angeklagten begründet war und der Angeklagte
zwingend hätte freigesprochen werden müssen.
Darüber hinaus hätte wegen der
zahllosen Verfahrensfehler, die dem LG München II unterlaufen sind, der
Bundesgerichtshof das Urteil mitsamt
seinen Feststellungen insgesamt aufheben müssen. Dies ergibt sich schon
aus der in der Revisionsbegründung auf Seite 11 bis Seite 15 dargestellten
Verletzung der §§ 228 Abs. 1, 229 StPO, die in der Anlage vollständig überreicht und zum Gegenstand des Vortrages in
der Verfassungsbeschwerde gemacht wird.
Die erste Seite des Protokolls des 51. Verhandlungstages
vom 11.8.2010 lautet wie folgt:
51. Verhandlungstag
GZ: 1 Ks 115 Js 12496/08
Sitzungsbeginn: 10.17 Uhr
Sitzungsende: 13.31 Uhr
Protokoll über die Hauptverhandlung vor der
1. Strafkammer – als Schwurgericht – des Landgerichts München II, in München in
öffentlicher Sitzung am Mittwoch, 11. August 2010.
Seite 7 desselben Protokolls lautet in dem hier maßgeblichen
Abschnitt wie folgt:
Verfügung des Vorsitzenden:
1.) Die Hauptverhandlung wird unterbrochen.
2.) Der Hauptverhandlungstermin von
Donnerstag, 12.08.2010 entfällt.
3.) Termin zur Fortsetzung der
Hauptverhandlung ist – wie bereits bestimmt – Mittwoch, 13.09.2010, 10.00 Uhr,
Sitzungssaal A 101/I.
Seite 1 des Protokolls des 52. Verhandlungstages lautet
wie folgt:
52. Verhandlungstag
GZ: 1 Ks 115 Js 12496/08
Sitzungsbeginn: 10.16 Uhr
Sitzungsende: 14.55 Uhr
Protokoll über die Hauptverhandlung vor der
1. Strafkammer – als Schwurgericht – des Landgerichts München II, in München in
öffentlicher Sitzung am Montag, 13. September 2010.
Für jeden Juristen ist damit der
Verstoß gegen § 228 Abs. 1, 229 StPO, und zwar der willentliche
Kollisionsverstoß nachgewiesen. Der Vorsitzende hatte kein wie immer geartetes
Recht, von sich aus die Hauptverhandlung für einen Zeitraum von 30 Tagen oder
mehr zu unterbrechen.
Dieses Recht war ausschließlich
dem Kollegialgericht vorbehalten.
Dieser unter anderen in der
Revisionsbegründung vorgetragene Verfahrensfehler hätte schon für sich zum
Wegfall des Schuldspruches geführt.
Unter diesen Umständen ist es
offensichtlich, aus welchen Gründen Staatsanwaltschaft, LG und OLG ein
fundamentales Interesse daran haben, das Revisionsvorbringen des Angeklagten
von vorne herein und umfassend aus dem Einstellungsverfahren gänzlich
auszuschließen und mit keinem Wort darauf einzugehen.
Dabei hat die Verfahrensrüge der
Verletzung der §§ 228, 229 StPO nur die Bedeutung für einen – allerdings
gravierenden Verfahrensfehler –, weitere Ausführungen der Revisionsbegründung befassen
sich jedoch mit Verfahrenshindernissen, Befassungs- und Bestrafungsverboten,
die den
Justizskandal Demjanjuk aufdecken.
G.
Die Entscheidungen des LG und des
OLG verstoßen, wie aus sämtlichen vorstehenden Erwägungen handgreiflich und
offensichtlich, in der denkbar schwersten Weise gegen Art. 103 Abs. 1 des GG.
In dieser Verfassungsbeschwerde
wird daher auch ausdrücklich die Verletzung des Art. 103 des GG gerügt.
Allerdings wird berücksichtigt,
dass das Bundesverfassungsgericht Entscheidungen nach § 33 a im Rahmen einer
Anhörungsrüge wegen Verletzung des Art. 103 des GG im Sinne des Subsidiaritätsprinzips
den Vorrang zugewiesen hatte. Unter diesen Umständen ist unter dem 12.10.2012
nach Eingang der Entscheidung des OLG am 9.10.2012 das Rechtsmittel der
Anhörungsrüge gem. § 33 a StPO erhoben worden, um den Erfordernissen der
Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde Genüge zu tun.
Das Rechtsmittel gegenüber dem
OLG lautet wie folgt:
„In der Strafsache
gegen John Demjanjuk
4 Ws 169/12 (K)
nehme ich Bezug auf den Beschluss des 4. Strafsenats vom 4.10.2012 und
beantrage hiergegen:
1. In Vollmacht des verstorbenen Angeklagten sowie im Auftrag und in
Vollmacht der Witwe und des Sohnes des verstorbenen Angeklagten wird beantragt,
das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurückzuversetzen, die vor dem Erlass
der Entscheidung bestand.
2. Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 4.10.2012 wird als
verfassungs- und konventionswidrig aufgehoben.
3. Die Sache wird an den zuständigen Bundesgerichtshof verwiesen.
4. Hilfsweise: Unter Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts
München vom 5.4.2012 wird das Urteil des Landgerichts München vom 12.5.2011
aufgehoben, das Verfahren durch Prozessurteil eingestellt und der Staatskasse
die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des
Angeklagten auferlegt, ferner angeordnet, dass der verstorbene Angeklagte bzw.
sein Nachlass für die in dieser Sache erlittene Polizei- und Untersuchungshaft
zu entschädigen ist.
B e g r ü n d u n g :
Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 4.10.2012 ist nach §
33 a StPO auf die vorstehend erhobene Anhörungsrüge der bisherigen
Verfahrensbeteiligten aufzuheben.
Der Beschluss beruht durchgehend und umfassend auf eine Verletzung des
Art. 103 GG.
Die Verletzungen des Art. 103 GG in der angegriffenen Entscheidung sind
so offensichtlich, dass die Witwe und der Sohn des verstorbenen Angeklagten
folgende Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen:
1. Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Dr. Daustel
2. Richterin am Oberlandesgericht Beckers
3. Richter am Oberlandesgericht Dr. Koch
B e w e i s : Dienstliche
Äußerung der abgelehnten Richter
Die Begründung des Befangenheitsgesuchs im Einzelnen ist identisch mit
der Begründung der Anhörungsrüge, so dass auf diese vollinhaltlich und
umfassend verwiesen werden kann.
B e g r ü n d u n g :
I.
Bei dem angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts handelt es sich
um eine verfassungswidrige Überraschungsentscheidung im Sinne der einschlägigen
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
Mit Schriftsatz vom 17.9.2012 hatten die Beschwerdeführer folgendes
vorgetragen:
In der Strafsache
gegen John Demjanjuk
4 Ws 169/12
K
nehme ich Bezug auf die dortige Verfügung
vom 13.9.2012.
Es wird beantragt:
1. Akteneinsicht durch Übersendung der Aktenbestandteile, die mir
bisher nicht zugänglich gemacht worden sind, für eine Woche in meine Kanzlei.
2. Fristverlängerung bis 20.10.2012.
B e g r ü n d u n g :
Der Unterzeichnete ist zur Zeit
arbeitsunfähig erkrankt. Die Krankschreibung bis zum 28.9.2012 wird in der Anlage beigefügt.
Vorab wird darauf hingewiesen, dass nach der Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Sache Nölken-Bollhoff
gegen Bundesrepublik Deutschland und der zugrundeliegenden Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts im Rahmen der sofortigen Beschwerde umfassend die
Erfolgsaussichten der Revision unter Berücksichtigung des gesamten
Revisionsvorbringens einschließlich aller Verfolgungs-, Bestrafungs- und
Befassungshindernisse zu überprüfen sind.
Dieser Prüfungsmaßstab wird von der Generalstaatsanwaltschaft in der
Zuschrift vom 11.9.2012 weder erwähnt noch wird in den bisherigen
Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft, der Generalstaatsanwaltschaft bzw. in
der Entscheidung des Landgerichts München dieser Prüfungsmaßstab angewandt.
Ganz im Gegenteil:
Es steht fest, dass der den Entscheidungen, die anstehen, zugrunde zu legende
Prüfungsmaßstab der Erfolgsaussichten der Revision sowie aller Prozess- und
Verfolgungshindernisse im bisherigen Verfahren nicht den Ansatz einer
Berücksichtigung gefunden hat. Das Revisionsvorbringen ist weder von der
Staatsanwaltschaft München noch von der Generalstaatsanwaltschaft München noch
vom Landgericht auch nur zur Kenntnis genommen worden. Dies ist ein
Schwerstverstoß gegen Art. 103 GG, Art. 6 EMRK, dem Grund- und Menschenrecht
auf rechtliches Gehör bzw. auf ein faires Verfahren.
Die Erfolgsaussichten der Revision waren und sind
offensichtlich.
Im Übrigen wird auch jetzt und trotz des Beschlusses des
Bundesgerichtshofes die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts ausdrücklich
gerügt. Der Angeklagte ist seinem gesetzlichen Richter entzogen. Der
Bundesgerichtshof ist und bleibt hinsichtlich der noch ausstehenden
Entscheidungen zuständig.
In diesem Zusammenhang wird erneut beantragt:
Die Sache wird dem Bundesgerichtshof zur
Entscheidung vorgelegt.
Auf die Verletzung von Art. 101 GG, Art. 6 EMRK wird ausdrücklich
hingewiesen.
Das Landgericht München hat in eigener Sache entschieden. Dass dies von
vorne herein mit den gesetzlichen Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland
insgesamt nicht vereinbar ist, ist offensichtlich.
Die abgelehnten Richter haben sich ohne Begründung über das
Akteneinsichtsgesuch und den Antrag auf Fristverlängerung hinweggesetzt und
sind auf die Argumentation der Verfahrensbeteiligten in diesem Schriftsatz im
Beschluss mit
keinem einzigen Wort eingegangen.
II.
Weder die Staatsanwaltschaft noch die Generalstaatsanwaltschaft hatten
im zugrunde liegenden Verfahren auf eine Unzulässigkeit der sofortigen
Beschwerde abgestellt noch darauf hingewiesen.
Ganz im Gegenteil.
In der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 11.9.2012 Blatt 15230 wurde ausgeführt:
Die sofortige Beschwerde ist zulässig gem. § 464 Abs. 3 in Verbindung
mit § 311 Abs. 2 StPO.
Die Zulässigkeit der Beschwerde war im Gesamtverfahren unstreitig.
Unter diesen Umständen waren die abgelehnten Richter nach Art. 103 GG
verpflichtet, die von ihnen gegen jede herrschende Meinung vertretene Ansicht
über die Unzulässigkeit der Beschwerde mit Begründung darzustellen und
insbesondere auszuführen, warum sie im Jahre 2012 von der absolut herrschenden
Auffassung der Zulässigkeit der Beschwerde abweichen wollen, insbesondere von
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch von der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, die über die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und die Übernahme der Entscheidung
in Sachen Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik durch das
Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung Band 82, Seite 106 ff. mit
Gesetzeskraft für die Bundesrepublik Deutschland ausgestattet ist. In der
Entscheidung Nölkenbockhoff gegen Bundesrepublik Deutschland, die die
abgelehnten Richter ausweislich des Beschlusses, der den Gesetzesbruch enthält,
zur Verfügung hatten und kannten, heißt es:
Der Grundsatz der Unschuldsvermutung soll jede „wegen einer Straftat angeklagte
Person“ vor einem Schuldspruch schützen, bevor deren Schuld in der gesetzlich
vorgeschriebenen Weise nachgewiesen wurde. Daraus folgt jedoch nicht, dass eine
Entscheidung, die die Unschuld eines wegen einer Straftat angeklagten Mannes
nach dessen Tod in Frage stellt, nicht nach Art. 25 von seiner Witwe gerügt
werden kann. Sie kann sowohl ein legitimes materielles Interesse in ihrer
Eigenschaft als Erbin des Verstorbenen haben, als auch ein moralisches
Interesse für ihre eigene Belange und die ihrer Familie, ihren verstorbenen
Ehemann von jedem Schuldvorwurf freigestellt zu sehen. ... Wie vom Delegierten
der Konvention ausgeführt wurde, trifft dies im vorliegenden Fall zu. Unter
diesen Umständen kann die Beschwerdeführerin daher behaupten, Opfer im Sinne von Art. 25 zu sein. Der Gerichtshof möchte
außerdem darauf hinweisen, dass das deutsche Bundesverfassungsgericht, dessen
Verfassungsbeschwerdeverfahren dem Verfahren nach der Konvention vergleichbar
ist ..., die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin nicht mangels
Aktivlegitimation abgewiesen hat.
Damit verstößt das Oberlandesgericht gegen die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts sowie des Europäischen Gerichtshofes, die durch
Übernahme durch das Bundesverfassungsgericht in bundesdeutsche Gesetze
umgewandelt sind.
Der Gesetzesbruch verhindert die Aufdeckung des Justizskandals und des
ersten politischen Prozesses in der Bundesrepublik mit verfassungswidriger
Sonderverfolgung des verstorbenen Angeklagten John Demjanjuk, Landgericht München
II – 1 KLs 115 Js 12496/08 -, wie dieser in der Verfassungsbeschwerde vom
22.8.2012 beschrieben worden ist.
Die Verfassungsbeschwerde wird in der Anlage überreicht und zum Inhalt des diesseitigen Vortrages sowohl
bezüglich der Befangenheitsgesuche als auch bezüglich der Anhörungsrüge gemacht.
Der Gesetzesbruch wird im Beschluss des Oberlandesgericht München durch
den Beschluss selbst belegt. Das Oberlandesgericht hätte nach Art. 103 auf
seine Argumentationsabsichten hinweisen müssen, um der Verteidigung Gelegenheit
zu geben, den Gesetzesbruch zu verhindern.
Das Oberlandesgericht trägt vor:
Die Berechtigung zur Einstellung des Verfahrens ergab sich für das
Landgericht aus § 206 a StPO, denn der nach Eröffnung des Hauptverfahrens
eingetretene Tod des Angeklagten stellt ein Verfahrenshindernis im Sinne von §
206 a StPO dar.
Ist der Tod des Angeklagten ein Verfahrenshindernis im Sinne des § 206
a StPO, hat der Gesetzgeber den Tod des Angeklagten als Verfahrenshindernis
gesamthaft der Regelung des § 206 a StPO unterstellt. Es ist ausgeschlossen,
dass die Gerichte den Tod eines Angeklagten als Verfahrenshindernis im Sinne
des § 206 a StPO ansehen, dann jedoch nicht die zwingende Anordnung des
Gesetzgebers für diesen Fall befolgen. In § 206 a StPO heißt es in Absatz 2:
Der Beschluss ist mit sofortiger Beschwerde
anfechtbar.
Im vorliegenden Fall erklärt der Beschluss des Oberlandesgerichts in
offensichtlich verfassungswidriger Weise ausschließlich § 206 a Abs. 1 für
anwendbar, während er § 206 a für diesen Fall von jeder Geltung suspendiert. Er
erklärt nämlich sowohl die Witwe als auch den Sohn für nicht
beschwerdeberechtigt, aber auch nicht den Verteidiger als Vertreter des
verstorbenen Angeklagten.
Die abgelehnten Richter kommen infolge der von ihnen gewählten, mit dem
Gesetz schlechterdings nicht zu vereinbarenden Konstruktion zu dem im
Rechtsstaat undenkbaren Ergebnis, dass das Landgericht im vorliegenden Fall
nach dem Tod des Angeklagten eine Entscheidung treffen konnte, von der das
Landgericht wusste, dass es völlig egal war, ob diese dem Gesetz entsprach oder
nicht, weil wegen der angeblichen Höchstpersönlichkeit der Rechte der
Angeklagten es von vorne herein keinen denkbaren Anfechtungsberechtigten gibt.
Diese vom Oberlandesgericht erzielte Konsequenz ist mit dem Rechtsstaatsprinzip
schlechterdings unvereinbar und dient im vorliegenden Fall aus der Sicht der
Witwe und des Sohnes, objektiv ausschließlich der Verschleierung und Verdeckung
des Justizskandals und des ersten politischen Prozesses Landgericht München II
gegen John Demjanjuk.
III.
Es war und ist offensichtlich, dass die Verteidigervollmacht und das
Recht des Verteidigers, für die Rechte des verstorbenen Angeklagten
einzutreten, solange besteht, solange
die Unschuldsvermutung für einen Angeklagten besteht und durch Entscheidungen
des Staates beeinträchtigt oder in Frage gestellt wird. Die Rechtsauffassung
des Oberlandesgerichts beruht auf einer verfassungswidrigen grundsätzlichen
Verkennung des Rechtsstaatsprinzips und der Menschenwürde.
Beide Prinzipien gebieten die Durchsetzung der Unschuldsvermutung auch
nach dem Tode eines Angeklagten, soweit und solange die Frage der Schuld oder
Unschuld des Angeklagten Gegenstand von Entscheidungen staatlicher Gerichte
oder Institutionen ist oder aber von solchen Entscheidungen berührt wird.
Nach der vom Oberlandesgericht vertretenen Auffassung nimmt der
Angeklagte den ihm durch die Unschuldsvermutung vermittelten Rechtsschutz
höchst persönlich mit ins Grab, so dass mit dem Tod des Angeklagten zugleich
jede Schranke und jeder Schutz, der aus der Unschuldsvermutung resultiert,
entfällt.
Die Unschuldsvermutung wirkt und schützt den Angeklagten im Gegensatz
zur Auffassung des Oberlandesgerichts zwingend über dessen Tod hinaus. Das
Oberlandesgericht beraubt die Unschuldsvermutung in verfassungswidriger Weise
ihres Sinnes. Die Unschuldsvermutung verpflichtet den Staat, im Strafprozess
die Schuld des Angeklagten zu beweisen. Sie ist Schutz des Unschuldigen bis zur
endgültigen Feststellung von Schuld. Bis zu diesem Zeitpunkt ist er ohne
Schuld. Die Unschuldsvermutung verbietet jede Zweideutigkeit neben der
verfassungsrechtlich gewährleisteten Alternative unschuldig oder schuld und ist
damit mehr als bloß die prozessrechtliche Voraussetzung von Urteilsfolgen
strafrechtlicher Art.
Sie begleitet, mit den Worten des Richters des Europäischen
Gerichtshofes für Menschenrechte
Cremona, den Angeklagten während des gesamten Verfahrens bis zur Verurteilung,
vgl. Bundesverfassungsgerichtsentscheidung Band 82, Seite 124.
Das bedeutet, dass verfassungsrechtlich die Unschuldsvermutung über den
Tod des Angeklagten hinaus ihn schützt und begleitet. Folglich kann und muss
der Gesetzgeber von Verfassungswegen Rechtsmittel zur Verfügung stellen, die es
ermöglichen, Verletzungen der Unschuldsvermutung über den Tod des Angeklagten
hinaus zu rügen und die Verletzung der Unschuldsvermutung zu beseitigen. Dafür
sind sowohl der Verteidiger aus den Gründen seiner Stellung in der StPO als
auch die Angehörigen des verstorbenen
Angeklagten befugt und letztere Opfer im Sinne eines Betroffenseins.
Indem das Oberlandesgericht die
Weitergeltung der Unschuldsvermutung für den verstorbenen Angeklagten über
seinen Tod hinaus negiert, verstößt es
gegen alle zentralen Anliegen der Menschenwürde und des Rechtsstaatsprinzips.
Dass die Unschuldsvermutung über den Tod des Angeklagten hinaus diesen schützt
und Rechtsmittel gegen Verletzungen vorhanden sein müssen, ergibt sich bereits
aus der Schaffung entsprechender Straftatbestände zum Schutzes des Ansehens
eines Verstorbenen. Mit der vom Oberlandesgericht in dieser Sache vertretenen
Auffassung konnte und musste niemand rechnen.
Die Auffassung stellt sich außerhalb des Grundgesetzes und ist objektiv
abwegig. Sie ist durch nichts, durch kein Gesetz und durch keine Rechtsvorschrift
zu rechtfertigen und widerspricht allen zentralen Prinzipien des Grundgesetzes
und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte.
Diese objektiv abstruse und unvertretbare Auffassung musste das OLG
vorab bekannt geben, zumal weder die Staatsanwaltschaft noch die
Generalstaatsanwaltschaft mit dem Vertreten dieser Auffassung des OLG gerechnet
haben oder selbst eine solche Auffassung vertreten haben. Ganz im Gegenteil,
alle Verfahrensbeteiligten außerhalb der Richterbank des OLG haben diese
Auffassung im Verfahren weder vertreten noch als vertretbar erwähnt.
Die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts, die Beschwerde sei
unzulässig, erklärt den Grundsatz des rechtlichen Gehörs in Form eines Zuganges
zu Gericht und einer Beschwerdemöglichkeit gegen die Entscheidung des
Landgerichts mit dem Tod des Angeklagten als nicht vorhanden und streicht damit
Art. 103 des GG zu Lasten der Verfahrensbeteiligten aus dem Gesetz.
IV.
Das Oberlandesgericht trägt vor:
Der Beschluss des Landgerichts stellt keineswegs die Schuld des
Angeklagten fest, sondern macht ausdrücklich deutlich, dass die
Ermessensentscheidung nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO „ohne abschließende
Schuldzuweisung“ (Seite 2 vorletzter Absatz des Beschlusses) erfolgt.
Die Ausführungen des Senats zeigen, dass die abgelehnten Richter den
Beschluss des Landgerichts München weder in seinem Wortlaut und Sinne
aufgenommen, noch in seiner Bedeutung zugrunde gelegt, ihn vielmehr in sein
Gegenteil verkehrt haben.
Der Europäische Gerichtshof und das Bundesverfassungsgericht haben,
letzteres durch Übernahme der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, mit
Gesetzeskraft festgelegt, dass der Beurteilungsmaßstab für die Verletzung der
Unschuldsvermutung nicht nur der Tenor der angegriffenen Entscheidung ist,
sondern auch die Begründung, soweit sie Schuldfeststellungen gegen den
Angeklagten zugrunde legt, der damit argumentiert.
Im Beschluss des Landgerichts heißt es:
Der Angeklagte war nach 91-tätiger Hauptverhandlung mit umfangreicher
Beweisaufnahme der 16-fachen Beihilfe zum Mord schuldig gesprochen worden. Der
Schuldspruch beruhte auf einer ausführlichen Beweiswürdigung zu den
Tatsachenfeststellungen und einer Erörterung sämtlicher maßgeblicher
Rechtserwägungen.
Mit diesen Ausführungen tritt das Landgericht den Schuldfeststellungen
des Urteils vom 12.5.2011 unzweifelhaft und ausdrücklich bei. Die Ausführungen
können nur wie folgt verstanden werden:
Der Angeklagte ist von unserer Kammer am 12.5.2011 nach fehlerfreier
Hauptverhandlung, fehlerfreier Beweiswürdigung und zutreffender Anwendung von
Recht und Gesetz
zu
Recht verurteilt worden.
Dass die Ausführungen des Landgerichts nicht so und nicht anders
verstanden werden können, ist so offensichtlich, dass jede andere Behauptung,
jede andere Interpretation dieser Ausführungen des Landgerichts
objektiv abwegig erscheint.
Der nächste Satz im Beschluss heißt:
Auch wenn die Verurteilung mangels Revisionsentscheidung nicht mehr in
Rechtskraft erwachsen konnte, kommt § 467 Abs. 1 StPO nicht zur Anwendung.
Es ist offensichtlich und handgreiflich, dass dieser Satz ausdrücklich
bedauert, dass die Verurteilung nicht mehr in Rechtskraft erwachsen konnte. Das
Landgericht hätte, wenn es nicht ausdrücklich die Schuldfeststellung des
Urteils wiederholen wollte, formulieren müssen:
Eine Entscheidung über eine Schuld des Angeklagten kann mangels
einhaltbarer Revisionsentscheidung nicht mehr ergehen.
Dass es ausschließlich dem Landgericht in dieser Sache um die
Verteidigung seiner Verurteilung des Angeklagten geht, beweist der folgende
Absatz über die Verteidigerstrategie:
Diese Ausführungen haben mit einer Entscheidung nach § 206 a StPO nicht
das Geringste zu tun und sind in diesem Zusammenhang abwegig und geradezu absurd.
Sie bekommen nur dadurch einen Sinn, dass die Ausführungen dem Zweck
dienen, die Verurteilung des Angeklagten erster Instanz und damit die
Schuldzuweisung als sachgemäß richtig und zutreffend zu bezeichnen und zu
erklären, dass die Bestätigung der Schuldzuweisung durch das Revisionsgericht
nur deshalb verhindert wurde, weil der Verteidiger eine destruktive
Verteidigungsstrategie eingeschlagen habe. Die Wortwahl „abschließende
Schuldzuweisung“ ist im vorliegenden Fall ausnahmslos und ausschließlich dahin
zu verstehen, dass das Landgericht bedauert, dass die von ihm vorgenommene
Schuldzuweisung zu Lebzeiten des Angeklagten nicht mehr abschließend im Sinne
von rechtskräftig geworden ist.
Das Oberlandesgericht stellt diesen Sachverhalt geradezu auf den Kopf
und verstößt damit gegen Art. 103 des GG.
V.
Der Senat führt aus:
Schließlich merkt der Senat noch
an, dass die vom Landgericht in erster Instanz getroffene Schuldfeststellung
die Annahme eines zum Zeitpunkt der Verfahrenseinstellung fortbestehenden Tatverdachts
und die darauf gestützte Anwendung von § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO zulässt,
ohne dass dies von Rechtswegen zu beanstanden wäre.
Mit dieser Auffassung schließen die abgelehnten Richter die
Beschwerdeführer von jedem Vortrag und der Berechtigung zu jedwedem Vortrag von
vorne herein aus. Die befangenen Richter erklären jedes nichts rechtskräftige
Urteil erster Instanz, nach deren Erlass der Angeklagte gestorben ist, für
sakrosankt und schließen im Wege eines Automatismus die Rechte des Angeklagten
nach § 467 Abs. 1 StPO und § 6 StrEG von vorne herein absolut, ohne Wenn und
Aber und ohne Ausnahme aus. Die nicht rechtskräftige Schuldfeststellung erster
Instanz rechtfertigt, gleich wie und unter welchen Umständen sie zustande
gekommen ist, die Annahme eines Tatverdachtes, ja sogar die Annahme eines
fortbestehenden Tatverdachtes, selbst wenn ein solcher objektiv nie bestanden
hat.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das
Bundesverfassungsgericht durch Übernahme der Entscheidungen des Europäischen
Gerichtshofes für Menschenrechte haben jedoch entschieden, dass es für die
Entscheidungen im Zusammenhang mit § 206 a StPO maßgeblich darauf ankommt, ob
der Angeklagte nach der bisherigen Beweislage voraussichtlich verurteilt worden
wäre oder nicht. Es kommt somit auf eine Prognoseentscheidung des den
Einstellungsbeschluss erlassenden Gerichts an. Eine solche Prognoseentscheidung
lässt sich schlechterdings nicht mit der erstinstanzlichen Schuldfeststellung,
die nicht rechtskräftig geworden ist, begründen, insbesondere dann nicht, wenn
im Zeitpunkt des Todes des Angeklagten bereits nachgewiesen war, dass der
Durchführung des Verfahrens vor dem Landgericht Prozess- und Verfahrenshindernisse
entgegenstanden, die das gesamte Verfahren unzulässig machten.
Auch ein Einstellungsbeschluss nach § 206 a StPO aus Anlass des
Verfahrenshindernisses Tod des Angeklagten hat zur Voraussetzung, dass andere
Verfahrenshindernisse, die der Verfahrensdurchführung als solche schon
entgegengestanden haben, vom Gericht, welches die Einstellung verfügt, geprüft
und vorab berücksichtigt werden müssen.
War die Tat etwa von vorne herein verjährt, ist das erstinstanzliche
Gericht unter Verkennung des Verfahrenshindernisses der Verjährung zu seiner
Schuldfeststellung gekommen und dieser nach dieser Schuldfeststellung
verstorben, hat die Einstellung wegen dieses vorrangigen
Verfahrenshindernisses, nicht aber wegen des Todes des Angeklagten zu erfolgen.
Genauso verhält es sich mit anderen Verfahrenshindernissen etwa wie dem Verbot
der doppelten Strafverfolgung oder dem Verbot verfassungswidriger
Sonderverfolgung. Ist etwa die nicht rechtskräftige Schuldfeststellung der
ersten Instanz mit Verfahrensfehlern oder Verstößen gegen das materielle Recht
belastet, kann die Schuldfeststellung des nicht rechtskräftigen Urteils nicht
dazu berechtigen, zu behaupten, diese bemakelte und mit Makeln behaftete
Schuldfeststellung rechtfertige jedenfalls die Annahme eines Tatverdachtes oder
eines fortbestehenden Tatverdachtes. Die zu treffende Prognoseentscheidung, wie
sie vom Europäischen Gerichtshof und vom Bundesverfassungsgericht gefordert
werden, setzen eine eigenständige Überprüfung durch das Einstellungsgericht
voraus, ohne dass dieses Gericht auf die Schuldfeststellung prozessual oder
materiell zurückgreifen dürfte.
Die abgelehnten Richter haben diese vom Gesetz ihnen abverlangte
Prüfung weder erbracht noch durchgeführt. Mit dem Hinweis, dass die
erstinstanzliche nicht rechtskräftige Schuldfeststellung ohne Weiteres
berechtigt, von einer fortbestehenden Tatverdachtslage auszugehen, verweigern
sie hingegen den Verfahrensbevollmächtigten den Zugang zu den Gerichten und den
Zugang zum rechtlichen Gehör nach Art. 103 des GG.
Aus der nicht rechtskräftigen Schuldfeststellung wird unabhängig davon,
ob diese auch nur annähernd oder überhaupt mit Gesetz und Recht vereinbar ist,
für das Einstellungsgericht automatisch eine fortbestehende Tatverdachtslage.
Damit wird die Schuldfststellung über den Tod des Angeklagten hinaus
perpetuiert und zugleich unter diametralem Verstoß gegen die Unschuldsvermutung
die Schuld des Angeklagten über seinen Tod hinaus festgeschrieben und nur mit
einer anderen Worthülse belegt, nämlich als fortbestehender Tatverdacht
bezeichnet, der auf immer aufrecht erhalten wird und gegen den sich der
Angeklagte und seine Familie niemals mehr wehren kann.
Dies ist nichts anderes als die verfassungswidrige und
konventionswidrige Festschreibung einer Schuldzuweisung ohne rechtskräftiges
Urteil und die klassische Form der Gesetzesumgehung der Unschuldsvermutung.
Das Oberlandesgericht und die abgelehnten Richter haben mit ihrem
Beschluss und ihren Ausführungen die Verfahrensbeteiligten mit ihrem gesamten
Revisionsvorbringen und ihrem gesamten Beschwerdevorbringen von vorne herein
ausgeschlossen.
Die befangenen Richter haben die Revisionsbegründung nicht einmal zur
Kenntnis genommen.
B e w e i s : Dienstliche
Äußerung der abgelehnten Richter
Sie haben die Begründungen mit keinem Wort erwähnt oder aber inhaltlich
gewürdigt.
Vielmehr stellen sie den Rechtssatz auf:
Ist eine erstinstanzliche – auch wenn nicht rechtskräftige –
Schuldfeststellung erfolgt, rechtfertigt dies völlig unabhängig davon, wie
diese Schuldfeststellung zustande gekommen ist, die unwiderlegbare Feststellung
einer
Verdachtslage.
Dies ist nichts anderes als eine Umgehung und ein Bruch der
Unschuldsvermutung und des Rechtsstaatsprinzips. Die Schuldfeststellung, die
von Gesetzeswegen nicht bestehen bleiben darf, wird in eine für den Angeklagten
und ihrer Angehörigen nicht mehr widerlegbaren
Tatverdachtsvermutung
umformiert und damit der Angeklagte nach seinem Tod entgegen der
Unschuldsvermutung nicht als „ohne Schuld“, sondern als
dauertatverdächtig bezeichnet.
Damit wird erneut die Unschuldsvermutung, die jede Zweideutigkeit neben
der verfassungsrechtlich garantierten Alternative unschuldig oder schuldig
verbietet, ihres Sinnes und der verstorbene Angeklagte des Schutzes der
Unschuldsvermutung beraubt.
Darüber hinaus ist die Umformierung der nicht rechtskräftigen
Schuldfeststellung in einen
rechtskräftig festgestellten Dauertatverdacht eine schwere Verletzung
der Verpflichtung des Landgerichts zu einer Prognoseentscheidung über den
mutmaßlichen Ausgang des Verfahrens.
Dabei muss das einstellende Gericht unabhängig von der vorliegenden
Schuldzuweisung prüfen, ob der Angeklagte unter Berücksichtigung des gesamten
Revisionsvorbringens bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses nicht
ausschließbar hätte Erfolg haben können. Die abgelehnten Richter sowie der Senat
verweigert den Verfahrensbeteiligten von vorne herein den ihnen geschuldeten
Prüfungsmaßstab und schließt das Vorbringen der Beteiligten insofern von vorne
herein unter Verstoß gegen Art. 103 des GG aus. Die Berücksichtigung und
Beachtung des Revisionsvorbringens des Angeklagten und seines Verteidigers, wie
sie nach Art. 103 GG geboten und vom Senat und den abgelehnten Richtern zu
beachten war, hätte das ungeheure Ausmaß des objektiven Rechtsbruches im Fall
Demjanjuk offenbart.
Es wäre an den Tag gekommen, dass der Angeklagte entgegen einer
70-jährigen Rechtspraxis der Nichtverfolgung von Nichtdeutschen mit
nationalsozialistischem Hintergrund im Ausland als einziger und erster und
letzter einer verfassungswidrigen Sonderverfolgung vor dem Landgericht München
unterworfen wurde. Es wäre offenbar geworden, dass der Durchführung des
Verfahrens offensichtlich und handgreiflich massivste Prozesshindernisse bzw.
Befassungsverbote entgegenstanden, so die fehlende Zuständigkeit deutscher
Gerichtsbarkeit, die fehlende Anwendbarkeit deutschen Rechts, die über die
unwahre Behauptung, ein Trawniki sei Amtsträger gewesen, kaschiert wurde. Es
wäre herausgekommen, dass ne bis in idem verletzt wurde, weil die polnische
Entscheidung des Instituts für Nationales Gedenken vom 19.12.2007 die Anklage
in der Bundesrepublik verbot.
Es wäre offenbar geworden, dass das Legalitätsprinzip in hohem Maße
verletzt worden ist, als die Bundesrepublik sich für zuständig erklärte, John
Demjanjuk zum zweiten Mal zu verfolgen. Es wäre herausgekommen, dass ein
deutscher Strafanspruch nach der Verfolgung von John Demjanjuk in Israel wegen
Sobibor überhaupt nicht bestand. Schließlich wäre herausgekommen, dass das
Landgericht das geltende Tatstrafrecht und insbesondere § 47
Militärstrafgesetzbuch hätte anwenden und den Angeklagten schon aus diesem
Grunde freisprechen müssen. Es wäre offenbar geworden, dass der Angeklagte,
seine Trawniki-Angehörigkeit unterstellt, nicht freiwillig, sondern
gezwungenermaßen den Wachmannschaften der Waffen-SS untergeordnet und gezwungen
wurde, als Kriegsgefangener Dienst in Konzentrations- und Vernichtungslagern zu
leisten. Es wäre offenbar geworden, dass
unter Beachtung der Aussage von Danilschenko das Landgericht wusste, dass es
die Anklagevorwürfe gegen Demjanjuk in der Anklageschrift der
Staatsanwaltschaft niemals würde beweisen können, da, wie es schon der
israelische oberste Gerichtshof
festgestellt hat, die Zeiten der Anwesenheit von Demjanjuk bzw. die
Zeiten der Abwesenheit von Demjanjuk den Nachweis einer Mitwirkung von
Demjanjuk an den angeklagten Straftaten von vorne herein ausschloss. Es wäre
offenbar geworden, dass Trawniki unter massivem Befehlsnotstand bzw.
Putativnotstand handelten, als sie Dienst in den Wachmannschaften der Waffen-SS
leisten mussten und von daher ihr von deutschen Verbrechern erzwungenes Handeln
nicht strafbar war, sie vielmehr entschuldigt waren. Schließlich wäre, was zwischenzeitlich
gerade von der Ludwigsburger Zentralstelle unstreitig gestellt worden ist,
herausgekommen, dass das Landgericht den Angeklagten auf der Grundlage nicht
geltenden Gesetzesrechtes verurteilt hat, sondern auf der Grundlage einer nicht
vom Gesetz gedeckten bzw. nicht im Gesetz stehenden neuen Rechtstheorie, wonach
es ausreicht, dem Angeklagten die Mitgliedschaft in eine Wachmannschaft eines
Vernichtungslagers nachzuweisen, um ihn der Beihilfe wegen Mordes schuldig zu
sprechen, und zwar unter Verzicht auf jeden individuellen Schuldnachweis, unter
Verzicht auf jede konkrete Mitwirkungshandlung, unter Verzicht auf den Nachweis
von dessen Anwesenheit zur Tatzeit.
Die ungeheuerliche Rechtsbrüche, die dem Landgericht München in der
Sache gegen Demjanjuk unterlaufen ist, könnten und durften keine Grundlage
einer Einstellungsentscheidung nach § 206 a StPO sein.
Jeder Berührungspunkt zum Urteil des Landgerichts München II war
abzulehnen. Jedes Argumentieren mit diesem Urteil und seinen Feststellungen
bedeutet, dass Legalitätsprinzip aufzugeben, das Rechtsstaatsprinzip
auszuhöhlen, selektive Strafverfolgung durchzuführen, gegen Art. 3 GG und gegen
Art. 6 EMRK zu verstoßen, die Beweislast auf den Angeklagten abzuwälzen, auf
einen individuellen Tatnachweis zu verzichten, das Tatzeitrecht außer Acht zu
lassen, das Rückwirkungsverbot zu verletzen, das Tatzeitstrafrecht aus dem
Prozess zu verbannen, ne bis in idem und Art. 54 Schengener
Durchführungsübereinkommen zu verletzen, Anrechungspflichten nach § 51 Strafgesetzbuch
nicht zu erfüllen, Spekulation, Vermutung und die Überzeugung von der eigenen
Unfehlbarkeit zu Strengbeweismitteln im Sinne der Strafprozessordnung zu erklären
und die historische Wahrheit in ihr Gegenteil zu verkehren.
Einem solchen Verfahren durfte in der Bundesrepublik niemand, auch
nicht das OLG München, die Hand reichen.
VI.
Mit der Beschwerde wurde seitens der Beschwerdeführer gerügt, dass eine
Entscheidung nach § 6 StreG durch das Landgericht verweigert wurde. Dieser Rüge
sind die Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwalt beigetreten, der
Generalstaatsanwalt unter Hinweis auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft
München im Schreiben vom 18.4.2012. Darüber hinaus wurde gerügt, dass die
Einstellungsentscheidung des Landgericht den notwendigen Ausspruch unterlassen
hat, dass das Verfahren
auf Kosten der Staatskasse
eingestellt wird, ein zwingender und unverzichtbarer Bestandteil jeder
Einstellungsentscheidung nach § 206 a StPO.
Der Senat und die abgelehnten Richter verlieren weder über die
Beschwerde insoweit noch über die Anträge insoweit ein einziges Wort. Sie
verstoßen damit zentral gegen die vom Bundesgerichtshof im 45. Band, Seite 108
ff. festgelegte Verpflichtung des Gerichts, eine Entscheidung über § 6 StrEG
herbeizuführen.
Jede Begründung für diese Vorgehensweise wird verweigert. Die Gründe
hierfür liegen auf der Hand. § 6 StrEG erfordert eine Entscheidung, in der das
einstellende Gericht zwingend das Revisionsvorbringen des Angeklagten nach
erstinstanzlicher Verurteilung aufnehmen und eine Prognoseentscheidung über den
mutmaßlichen Ausgang des Verfahrens hätte treffen müssen. Dies hätte dazu
geführt, dass die unglaubliche Fülle der Rechtsverletzungen in diesem ersten
politischen Schauprozess der Bundesrepublik Deutschland hätten aufgedeckt
werden müssen. Dies hätte schließlich dazu geführt, dass diejenigen, die die
Durchführung dieses Prozesses von der Bundesrepublik verlangt haben, nämlich
OSI und das Simon Wiesenthal Zentrum und deren Einflussnahme im Verfahren
aufgedeckt worden wären.
Die Verfahrensbeteiligten befürchten, dass die abgelehnten Richter die
Aufdeckung dieser Hintergründe vermeiden wollten.
Unabhängig davon, ob diese Befürchtung der Angehörigen des verstorbenen
Angeklagten zutreffen, ist die Verweigerung des Oberlandesgericht diese
zwingend vom Gesetz geforderten Entscheidungen zu treffen, nachzuholen oder für
eine Nachholung durch das Landgericht München von Amtswegen Sorge zu tragen,
unter keinen denkbaren rechtlichen Umständen hinnehmbar. Es kann nicht angehen,
dass im Rechtsstaat eine Entscheidung des Landgerichts München, die die von ihm
geschuldete Entscheidung nach § 6 StrEG schlichtweg verweigert, die die von ihm
geschuldete Entscheidung, dass das Verfahren auf Kosten der Staatskasse
eingestellt wird, schlichtweg entgegen dem Gesetzesbefehl verweigert, vom
zuständigen Obergericht in Kenntnis des Gesetzesbefehls und in Kenntnis des vom
Landgericht vorgenommenen Rechtsbruches insoweit legalisiert wird.
In diesem Zusammenhang kommt es gar nicht darauf an, ob man den
Verfahrensbeteiligten ein Beschwerderecht zubilligt oder nicht. Aufgrund der
Anträge und der Hinweise der Verfahrensbeteiligten war das Oberlandesgericht
verpflichtet, die Anträge von Amtswegen zumindest als Anregungen zu verstehen.
Diese Anregung musste zwingend dazu führen, dass das Oberlandesgericht von
Amtswegen für die Herstellung eines verfassungsgemäßen Zustandes Sorge trug.
Auch dies ist, selbst wenn man die Anträge nur als Anregungen zur
Herstellung eines verfassungsgemäßen Zustandes ansieht, ein massiver Verstoß
gegen Art. 103 des GG.“
Es ist so gut wie ausgeschlossen,
darauf zu hoffen, dass angesichts der sonstigen Entscheidungsinhalte des
Beschlusses des OLG das Oberlandesgericht sich überhaupt mit der Anhörungsrüge
beschäftigt bzw. diese zur Kenntnis nimmt und sie behandelt. Das OLG wird die
Anhörungsrüge auf der Grundlage seiner bisherigen Entscheidungen wegen
fehlender Aktivlegitimation der Verteidigung und der Angehörigen zurückweisen.
Von daher kann schon jetzt die
Verfassungsbeschwerde auch auf der Grundlage der Verletzung des Art. 103 des GG
erhoben werden und der vorstehende Sachvortrag gegenüber dem OLG zum Inhalt der
Begründung der Verfassungsbeschwerde gemacht werden. Auf der Grundlage der objektiv
abstrusen Auffassung des OLG gibt es weder für die Angehörigen noch für den
Verteidiger das Recht auf Geltendmachung der Rechte aus § 33 a StPO mangels Aktivlegitimation.
Die Verfassungsbeschwerde ist
begründet.
Abschließend wird beantragt:
Die Anlagen der
Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1933/12 werden insgesamt beigezogen.
Es wird in diesem Zusammenhang
darauf hingewiesen, dass das Urteil des Landgerichts München II vom 12.5.2011
dem Bundesverfassungsgericht in dieser Verfassungsbeschwerde vollständig
vorliegt und deshalb auch in diesem Verfahren beigezogen werden kann, damit das
Bundesverfassungsgericht sich anhand des Urteils und der beizuziehenden Akten
des LG München II von der Richtigkeit des diesseitigen Vortrages überzeugen
kann.
Mit
freundlichen Grüßen
Dr.
Ulrich Busch
Rechtsanwalt
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