In der Todesermittlungssache
John Demjanjuk
nehme ich Bezug
auf Ihr Schreiben vom 8.1.2013 und erhebe gegen die Verweigerung der Zuweisung
des Verfahrens an eine andere Staatsanwaltschaft nach § 145 GVG das
Rechtsmittel der
weiteren
Beschwerde zum Justizministerium.
B e g r ü n d u
n g :
1. Die
Weigerung der Zuweisung der Sache an eine andere Staatsanwaltschaft verstößt
direkt gegen das objektive Willkürverbot im Sinne des Art. 3 GG in Verbindung
mit Art. 103 GG sowie in Verbindung mit Art. 19, 20 GG.
Zwar besteht
kein Rechtsanspruch auf Substitution oder Devolution, gleichwohl sind bei der
Entscheidung die vorgetragenen Sachgesichtspunkte zu beachten.
Aus dem
Bescheid vom 8.1.2013 ist nicht ansatzweise eine Beschäftigung mit den
Sachgesichtspunkten, die vorgetragen wurden, erkennbar, ferner fehlt es an
jeglicher Begründung der Entscheidung.
Dies für sich
genommen führt schon zur Verletzung der vorgenannten Verfassungsbestimmungen
und ist mit der Verfassungsbeschwerde bzw. der Menschenrechtsbeschwerde nach
EMRK angreifbar.
2. In
Ergänzung des diesseitigen Sachvortrages verweise ich auf das Schreiben des
Leitenden Oberstaatsanwaltes in Traunstein vom 8.1.2013 in der Sache 31
E-II-28/12/402 Js 16380/12.
Hier heißt es:
Ihre Dienstaufsichtsbeschwerde
vom 28.11.2012 gegen Herrn Staatsanwalt als Gruppenleiter M.
Sehr geehrter Herr Dr. Busch,
aufgrund Ihrer Dienstaufsichtsbeschwerde
habe ich den Vorgang anhand der Akten geprüft und mit Herrn Staatsanwalt als
Gruppenleiter M. gesprochen. Der Geschehensablauf stellt sich wie folgt
dar: Nach Eingang des schriftlichen Sachverständigengutachtens am 12.11.2012
stellte Herr M. mit handschriftlicher Verfügung vom 16.11.2012 das
Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts ein. Dabei verfügte er
insbesondere, dass Ihnen die Verfahrenseinstellung mit Gründen übersandt wird.
Die Einstellungsgründe diktierte er. Am 26.11.2012 wurden ihm die Akte von
seiner Serviceeinheit zur Kontrolle des Diktats nochmals vorgelegt. Am
27.11.2012 fragte ein Pressevertreter fernmündlich bei Herrn M. nach dem
Verfahrensstand. Herr M. erteilte Auskunft, dass das Verfahren eingestellt
wurde. Dabei bedachte er nicht, dass Ihnen und somit den Angehörigen die
Mitteilung über die Verfahrenseinstellung noch nicht zugegangen war.
Herr M. bedauert diesen Umstand
ausdrücklich. Als er die Presseauskunft erteilte, war ihm diese Problematik
nicht bewusst.
Bei dieser Sachlage sind dienstaufsichtliche
Maßnahmen ebenso wenig veranlasst wie die Übertragung der Sachbearbeitung an
eine andere Staatsanwältin oder einen anderen Staatsanwalt.
Soweit Sie rügen, dass Herr M. Ihnen
nach Eingang des Sachverständigengutachtens keine Gelegenheit zur Stellungnahme
einräumte, sondern das Verfahren gegen die angezeigten Ärzte gleich einstellte,
ist das nicht zu beanstanden. Die Strafprozessordnung sieht nicht explizit vor,
dass Anzeigeerstattern nach Eingang von Ermittlungsergebnissen vor einer
Entscheidung nach § 170 II Strafprozessordnung Gelegenheit zur Stellungnahme
gegeben wird. Die Rechte der Anzeigeerstatter werden durch die
Beschwerdemöglichkeit gewahrt.
Hinsichtlich der Aktensicht in die
sichergestellten Krankenakten ist festzuhalten, dass Sie erstmals mit
Schriftsatz vom 04.12.2012 Einsicht in dieselben verlangten. Die
Krankenunterlagen wurden Ihnen inzwischen in Ablichtung zur Einsicht
zugeleitet. Ein dienstpflichtwidriges Verhalten liegt auch hier unter keinem
Gesichtspunkt vor.
Im Übrigen weise ich darauf hin, dass
weitere Dienstaufsichtsbeschwerden von Ihnen gegen verfahrensbezogene Maßnahmen
und Entscheidungen des Sachbearbeiters und damit zusammenhängende
Befangenheitsanträge zwar noch geprüft, aber nicht mehr verbeschieden
werden, siehe Bescheid vom 25.7.2012,
Az: 31 E – II 11/12.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
B.
Oberstaatsanwalt
Danach ergibt
sich Folgendes:
a.) Es
wird ausgeschlossen, dass Staatsanwalt als Gruppenleiter M. so zerstreut
oder so zerfahren seinen Dienst verrichtet, dass ihm weder am 26.11.2012 noch
am 27.11.2012 nicht bekannt war, dass er weder die Angehörigen noch deren
Rechtsanwalt über die Verfahrenseinstellung informiert hatte. Als ihm die
Korrektur seiner handschriftlichen Verfügung vom 16.11.2012 vorgelegt wurde,
war für Staatsanwalt M. offensichtlich, dass er seine handschriftliche
Verfügung vom 16.11.2012 ja unmöglich den Angehörigen des Verstorbenen noch
ihrem Rechtsanwalt zugestellt haben konnte. Gerade die Tatsache, dass ihm sein
Diktat zur Kontrolle vorgelegt wurde, machte ihm unzweifelhaft und für
jedermann nachvollziehbar vollkommen bewusst, dass er weder die Angehörigen des
Verstorbenen noch den Rechtsanwalt der Angehörigen unterrichtet hatte. Es ist
daher unzweifelhaft, dass Staatsanwalt M. am 27.11.2012 wusste, dass er
die Angehörigen und deren Vertreter nicht informiert hatte. Eine entsprechende
gegenteilige Behauptung muss angesichts des vom Leitenden Oberstaatsanwalt
geschilderten Sachverhaltes als
bloße
Schutzbehauptung gewertet werden.
b.) Es
ging, wie so oft in den letzten Jahren in Bezug auf Staatsanwaltschaften
bemängelt, offensichtlich um das sogenannte „Durchstechen“. Zu diesem
Sachverhalt schweigt sich der Leitende Oberstaatsanwalt in Traunstein aus.
c.) Der vom
Leitenden Oberstaatsanwalt geschilderte Sachverhalt über die Presseinformation
durch Staatsanwalt M. stößt auch aus anderen Gründen, insbesondere auch
aus dienstrechtlichen Gründen, auf äußerste Bedenken. Der Leitende
Oberstaatsanwalt teilt nicht mit, welcher Pressevertreter angerufen hat und ob
Staatsanwalt M. sich überhaupt davon überzeugt hat, dass er am Telefon mit
einem Pressevertreter verbunden war und wer dieser Pressevertreter ist. Genauso
konnte es sich bei dem Anrufer um einen x-beliebigen Dritten handeln, der weder
Pressevertreter noch Verfahrensbeteiligter war. Auf bloßen Anruf hin und auf
die bloße Behauptung des Anrufers hin, er sei Pressevertreter, darf und kann
kein Staatsanwalt Auskünfte aus einem laufenden Ermittlungsverfahren erteilen
oder das Ergebnis von Ermittlungsverfahren mitteilen. Dies dürfte nicht nur
gegen die Richtlinien im Strafverfahren verstoßen.
Der Leitende Oberstaatsanwalt schweigt sich
auch zu diesem Sachverhalt vollständig aus.
d.) Das
Bedauern von Herrn M. wird ausdrücklich zurückgewiesen. Die Angehörigen
sind untröstlich darüber, dass sie die unvertretbare und mit juristischen
Argumenten nicht erklärbare Einstellung des Verfahrens durch Staatsanwalt
M. aus der Presse erfahren mussten.
Es wird
bestritten, dass dem Staatsanwalt M. diese Problematik nicht bewusst war,
als er gezielt die „Presse“ informierte, womit objektiv eine Solidaritätswelle
der deutschen Presse mit den Bayrischen Ermittlungsbehörden und Justizbehörden
zu Lasten des Verstorbenen ausgelöst werden sollte.
e.) Hinzu
kommt, dass der Leitende Oberstaatsanwalt Traunstein sogar das Verfahren von
Staatsanwalt M. gutheißt, die Angehörigen des Verstorbenen bzw. deren
Rechtsvertreter nach Eingang des Gutachtens nicht von demselben zu unterrichten
und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, bevor eine Entscheidung über
die Einstellung oder Anklageerhebung erfolgte.
Hierzu wird
zunächst auf den Gang des Verfahrens verwiesen.
Die
Staatsanwaltschaft Traunstein hatte das Todesermittlungsverfahren durch den
Unterzeichner des Schreibens vom 8.1.2013 nach § 170 Abs. 2 einstellen lassen
und jedes Verschulden Fremder am Tod des Verstorbenen ausgeschlossen.
Dabei hatte der
Verfasser der Entscheidung vom 8.1.2013 das toxikologische Gutachten von Prof.
G. gelesen, so dass ihm klar war, dass der Verstorbene mit Novalgin ein
seinen Vorerkrankungen gegenüber kontraindiziertes Mittel verabreicht bekommen
hatte, und dies entgegen jeder medizinischen und ärztlichen Erkenntnis und
entgegen den Stellungnahmen der Bundesärztekammer.
Gleichwohl
stellt der Verfasser der Entscheidung vom 8.1.2013 das Verfahren ein.
Erst auf die
diesseitige Strafanzeige und den diesseitigen Strafantrag hin wurde das
Verfahren wieder aufgenommen und verfügt, ein Gutachten einzuholen.
Das Gutachten
wurde von vorne herein mit einem Gutachterauftrag versehen, der juristisch und
medizinisch unhaltbar war und die Beweisthematik in unzulässiger Weise zu
Lasten des Verstorbene und seiner Angehörigen einschränkte, hingegen objektiv
begünstigend für die angezeigten Verdächtigen war.
Hiergegen wurde
von Seiten der Angehörigen und ihres Rechtsvertreters vergeblich protestiert,
Beschwerden wurden erhoben, die keinen Erfolg hatten oder nicht beschieden
wurden bzw. bisher nicht beschieden sind.
Der Antrag auf
Beauftragung eines ausländischen Gutachters sowie der Antrag auf Erweiterung
des Gutachterauftrages wurde abgelehnt bzw. blieb ohne Ergebnis.
Nachdem das
Gutachten, erteilt aufgrund eines objektiv sachwillkürlichen und
verfassungswidrigen Gutachterauftrages der Staatsanwaltschaft eingegangen war,
wurde es vor der Einstellungsverfügung weder den Angehörigen noch ihrem
Rechtsvertreter überreicht noch mit der Einstellungsverfügung. Der Verfasser
der Verfügung vom 8.1.2013 behauptet nun, dies sei nicht zu beanstanden.
Dass die
Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft und die Entscheidung des Verfassers der
Entscheidung vom 8.1.2013 im konkreten Falle mit Art. 103 GG und der dazu
ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unvereinbar ist, ja
geradezu das Gegenteil der Bestimmung und der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts darstellt, muss nicht erläutert werden, sondern liegt
auf der Hand.
Mit Eingang des
Gutachtens wurde das Gutachten darüber hinaus Teil der Ermittlungsakten. Da
nach dem Inhalt des Gutachtens die sichergestellten Krankenakten von den
Gutachtern ausgewertet wurden, wurde auch diese zu notwendigen Bestandteilen
der Ermittlungsakten.
Nach dem im
vorliegenden Fall analog anzuwendenden § 147 StPO darf die Einsicht des
Verteidigers in die Gutachten von Sachverständigen in keiner Lage des
Verfahrens versagt werden. Dem Staatsanwalt war bekannt, dass der
Rechtsvertreter der Angehörigen und dieselben keine Akteneinsicht in das
Gutachten hatten und schlechterdings nicht in der Lage waren, aufgrund einer
Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft ohne Gutachten und ohne
Krankenunterlagen Beschwerdemöglichkeiten gegen die Einstellungsverfügung
überhaupt zu überprüfen. Darüber hinaus hatten die Angehörigen als Verletzte
Mitwirkungsrechte im Verfahren und hatten den verfassungsrechtlichen Anspruch
darauf, vor jeder Entscheidung der Staatsanwaltschaft in der Sache über das
Gutachten und dessen Inhalt unterrichtet zu werden.
Das Recht der
Angehörigen bzw. ihres Rechtsvertreters auf Einsicht in das Gutachten und die
Krankenunterlagen vor jeder Entscheidung der Staatsanwaltschaft im konkreten
Fall war offensichtlich, genauso die entsprechende Verpflichtung der
Staatsanwaltschaft, vor jeder Entscheidung den Angehörigen das Gutachten und
die Krankenunterlagen zur Stellungnahme und zur Gelegenheit, auf die zukünftige
Entscheidung der Staatsanwaltschaft Einfluss zu nehmen, zu gewähren. Nur diese
Handhabung entspricht auch dem Rechtsstaatsprinzip.
f.) Entsprechende
Ausführungen gelten hinsichtlich der Entscheidung des Verfassers der Verfügung
vom 8.1.2013 hinsichtlich der Verweigerung der sichergestellten Krankenakten. Die
Krankenakten waren notwendiger Bestandteil der Ermittlungsakten und konnten von
diesen, jedenfalls in Fotokopie, nicht getrennt werden. Sie waren auch
notwendiger Bestandteil des Gutachtens, da das Gutachten überhaupt nicht
verständlich war, ohne dass die Krankenakten zur Verfügung standen. Dies war
Herrn Staatsanwalt M. bewusst, es ist geradezu ausgeschlossen, dass er das
Gutachten auf Richtigkeit und Vollständigkeit ohne Beiziehung der
Krankenunterlagen überprüft hat und überprüfen konnte.
Unter diesen
Umständen verstößt der gesamte Verfahrensgang gegen die vorgenannte Verfassungsbestimmung.
g.) Damit
ergibt sich, dass der Staatsanwaltschaft Traunstein so schwere
Verfassungsverstöße unterlaufen sind, dass jede weitere Tätigkeit der
Staatsanwaltschaft Traunstein in dieser Sache unverzüglich unterbunden werden
muss. Es ist zwingend, dass eine andere Staatsanwaltschaft, und zwar möglichst außerhalb
Bayerns, die Sache weiter bearbeiten muss. Dies ergibt sich zwingend und ohne
jede weitere Vermeidungsmöglichkeit aus dem letzten Absatz der Verfügung vom
8.1.2013, die wie folgt lautet:
Im Übrigen
weise ich darauf hin, dass weitere Dienstaufsichtsbeschwerden von Ihnen gegen
verfahrensbezogene Maßnahmen und Entscheidungen des Sachbearbeiters und damit
zusammenhängende Befangenheitsanträge zwar noch geprüft, aber nicht mehr
verbeschieden werden, siehe Bescheid vom
25.7.2012, Az: 31 E – II 11/12.
Damit steht
fest, dass den Rechtsmitteln der Dienstaufsichtsbeschwerde und der
Befangenheitsanträge gegen den Sachbearbeiter durch Verweigerung von Bescheiden
von vorne herein der Boden entzogen wird.
Während im
Rechtsstaat das rechtliche Gehör und damit eine Bescheidung von
Dienstaufsichtsbeschwerden und Befangenheitsanträgen zwingend vorgeschrieben
ist, bekundet der Leiter der Staatsanwaltschaft Traunstein durch
Oberstaatsanwalt Branz, dass die Angehörigen des Verstorbenen und ihr Rechtsvertreter
keinen Anspruch auf rechtliches Gehör bei der Staatsanwaltschaft Traunstein
mehr finden werden und damit ihnen gegenüber das Rechtsstaatsprinzip nicht
gilt.
Dies kann
nicht mehr hingenommen werden.
Mit
freundlichen Grüßen
Dr.
Ulrich Busch
Rechtsanwalt
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